1.2.3 Absolute Herrscher und Gottesstaat

„Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ (Augustinus, Confessiones, I,1)

Die Scholastik, abgeleitet vom mittellateinischen scholasticus „Schulmeister“ ist eine wissenschaftliche Denkweise und Methode, die in der mittelalterlichen lateinischsprachigen Gelehrtenwelt entwickelt wurde. Scholastik war der Versuch, die christliche Glaubensoffenbarung rational zu untersetzen und in ein theoretisches System zu bringen. Vorstufen entstanden im Hochmittelalter. Im Spätmittelalter wurde diese Methode voll ausgebildet und beherrschte das gesamte höhere Bildungswesen. Noch in der Frühen Neuzeit war sie an Universitäten und Bildungseinrichtungen maßgeblich.

Das Hochmittelalter ist die Blütezeit des Rittertums und des römisch-deutschen Kaiserreichs. In diese Epoche fallen als wahrscheinlich bekanntestes Ereignis die Kreuzzüge, in denen sich der massive Einfluss der seit 1054 gespaltenen Kirche zeigt. Während der Kreuzzüge ziehen immer wieder Heere aus West- und Mitteleuropa in den Nahen Osten, um die Stätten des neuen Testamentes von den Moslems zu „befreien“, doch gelingt es den Europäern nicht, sich dauerhaft dort festzusetzen. Später treten die einstmals religiösen Ziele der Kreuzzüge oftmals zugunsten von Machtgelüsten oder Profitgier in den Hintergrund.

Die politische Grundlage des europäischen Rittertums war der Feudalismus. Die feudale Gesellschaft kann durch folgende Merkmale beschrieben werden: Die Produktion war stark von der Naturalwirtschaft geprägt. Der überwiegende Teil der Bevölkerung bestand aus Bauern. Sie waren aber nicht Eigentümer des von ihnen bestellten Landes. Dieses Land war Eigentum des Grundherrn. Die Bauern befanden sich im Zustand der Leibeigenschaft, sie waren also persönlich abhängig vom Grundherrn und unfrei.

Das Eigentum des Grundherrn war auch nur bedingt, denn er hatte es als Lehen von einem höhergestellten Adligen erhalten, dem er dafür Kriegsdienste schuldete. Er war also sein Vasall. Die Kette dieser abhängigen, mit Kriegsdienst verbundenen Lehen reichte bis zum König, dessen hoheitliche Domäne letzten Endes alles Land war. In der mittelalterlichen Vorstellung war er allerdings auch nur ein Vasall. Er war Gott unterstellt.

Seit dem 4. Jahrhundert wuchs der Grundbesitz der römischen Kirche in Italien durch Schenkungen zahlreicher Güter in Süd- und Mittelitalien und auf Sizilien an. Die Patrimonium Petri (Vermögen des Petrus) genannten Besitzungen machten den Bischof von Rom im 6. Jahrhundert zu einem der größten Grundbesitzer in Italien. Durch die von Papst Gregor I. während seiner Amtszeit durchgeführte Reform und den Wechsel zu einer straffen Zentralverwaltung bekam das Patrimonium Petri viel mehr den Charakter eines Herrschaftsgebildes. Unter Berufung auf eine angebliche Urkunde Konstantins, die Konstantinsche Schenkung, erhoben die Päpste Anspruch auf eine unabhängige geistliche und weltliche Landesherrschaft. Obwohl die Konstantinische Schenkung schon 1440 durch Lorenzo Valla als Fälschung entlarvt wurde, blieb sie jahrhundertelang Grundlage für den päpstlichen Herrschaftsanspruch in ltalien.

Der Kirchenstaat als politische Einheit sollte vor allem die Unabhängigkeit des mit absolutistischer Macht regierenden Papstes sichern. Da dieser vom Kardinalskollegium gewählt wurde, handelte es sich rein formal um eine Wahlmonarchie.

Augustinus

Augustinus von Hippo, ist einer der bedeutendsten christlichen Kirchenlehrer und der wichtigste Philosoph an der Zeitenwende zwischen Antike und Mittelalter. Er war zunächst Rhetor in Thagaste, Karthago, Rom und Mailand. Von 395 bis zu seinem Tod war er Bischof von Hippo Regius. Augustinus hat neben theologischen auch viele wissenschaftliche Schriften verfasst, die zu einem großen Teil erhalten sind.

Der christliche Glaube ist ihm Grundlage der Erkenntnis (crede, ut intelligas: „glaube, damit du erkennst“ bzw. „ich glaube, um zu erkennen“). Seine „Bekenntnisse“ (Confessiones) sind einer der einflussreichsten autobiographischen Texte der Weltliteratur. Augustinus‘ Philosophie enthält von Platon stammende, jedoch im christlichen Sinn modifizierte Elemente.

Hierzu gehören insbesondere die Zweiteilung der Wirklichkeit zwischen der höheren Welt des Seins, die nur dem Denken zugänglich ist, und der niederen Welt des Werdens, die den Sinnen zugänglich ist: ein Dualismus, der sich im Menschen in der spannungsvollen Einheit von Leib und Seele ausdrückt.Seine Theologie beeinflusste die Lehre fast aller westlichen Kirchen, ob katholisch oder protestantisch. Auch die theologischen Schriften des heutigen Papstes, Benedikt XVI., sind wesentlich von seiner Lehre durchdrungen.Cicero galt Augustinus als der Mann, der die Philosophie in lateinischer Sprache begründet und sogleich vollendet hatte. Unter anderem als Reaktion auf die Eroberung Roms durch die Westgoten 410 verfasste er die Schrift Über den Gottesstaat (De civitate Dei). Er entwickelt hier die für Jahrhunderte gültige Unterscheidung zwischen irdischem Staat und Gottesstaat.

Der Grund aller Wahrheit sind bei Augustinus die ewigen Ideen in Gottes Geist. Gott selbst ist die Wahrheit. Wie bei Platon haben auch bei Augustinus die Urbilder den ontologisch höchsten Status. Verfügbar wird die Wahrheit für den Menschen nun in der vermittelten Erleuchtung des Geistes durch Gott. Der göttliche Geist (mundus intelligibilis) „strahlt“ diese Ideen und Regeln direkt in den menschlichen Geist „ein“; die Wahrheit findet sich also nicht außerhalb des Menschen, sondern im Menschen selbst vor. Augustinus ist bekannt als ein Vertreter der doppelten Prädestination, in der der Mensch zum ewigen Leben oder zur Verdammung von Gott vorherbestimmt ist.

In Vom Gottesstaat geht er vor der Schaffung des Menschen von zwei Engelsstaaten aus, dem Staat der bösen Engel (civitas diaboli) und dem Staat der guten Engel (civitas dei). Einige der Engel haben sich „grundlos“ von Gott „abgekehrt“ und sind böse geworden. Nach Schaffung des Menschen wurden diese beiden Staaten in den irdischen Staat (civitas terrena) und den Gottesstaat (civitas coelestis) übergeleitet. Nach dem jüngsten Gericht schließt sich der Kreis; am Ende gibt es wieder zwei Staaten: Civitas Mortalis, d.h. die Höllenstrafe in Ewigkeit und auf der anderen Seite Civitas Immortalis, die ewige Herrschaft mit Gott (Himmel). Sein Begriff des Gottesstaates trug so zur großen Macht der Kirche im Mittelalter bei.

Die Lehre vom gerechten Krieg

Augustins Bündnis mit den staatlichen Autoritäten veranlasste ihn auch zur Entwicklung der folgenreichen Theorie vom „gerechten Krieg“ (lat. bellum iustum). Er fügte zwar als Bedingung hinzu, dass der Krieg von der eigenen Obrigkeit erklärt werden muss, die Verteidigung der eigenen Rechte zum Ziel haben und mit möglichst zurückhaltenden Mitteln geführt werden solle. Augustinus lehrt:

„Krieg zu führen und durch Unterwerfung der Völker das Reich zu erweitern, erscheint den Bösen als Glück, den Guten als Zwang. Aber weil es schlimmer wäre, wenn die Ungerechten über die Gerechten herrschten, so nennt man nicht unpassend auch jenes ein Glück“.

Diese Aussage wurde – häufig unberechtigt – aufgrund in der Folge zur Rechtfertigung von Kriegen verschiedener Art verwendet.

Anselm von Canterbury

„Der Wissende weiß, dass er glauben muss.“ Friedrich Dürrenmatt

Anselm von Canterbury wird vielfach als Begründer der Scholastik gesehen. In der katholischen Kirche wird er als Heiliger und Kirchenlehrer verehrt. In der Forschungsliteratur existieren unterschiedliche Betrachtungsweisen, zum einen Anselm als politisch ehrgeizig und zum anderen als Person, die ihr Idealbild der Kirche durchsetzen will durch Nutzung der Macht.

Am bekanntesten ist Anselm für seinen ontologischen Gottesbeweis. Dieser gehört zu den am meisten diskutierten Argumenten in der Philosophiegeschichte. Philosophen wie Thomas von Aquin, Hegel, Descartes und Kant setzten sich kritisch damit auseinander. Zentrales Argument ist der Satz, Gott sei das, über dem Größeres nicht gedacht werden könne (quo maius cogitari non potest).

Viele Frühscholastiker betonen die Notwendigkeit einer Vermittlung von Vernunft und Glaube. Wesentliches Moment dafür ist die Auffassung, dass der Vernunft die Existenz Gottes einsichtig sei. In diesem Sinne hatten bereits arabische und jüdische Denker Gottesbeweise entwickelt.

Der kausale Gottesbeweis

Der kausale Gottesbeweis geht davon aus, dass allem, was in dieser Welt existiert, eine Ursache zu Grunde liegt. Da man die Reihe der Ursachen nicht unendlich fortsetzen kann, muss eine erste Ursache (causa prima) existieren. Schon Aristoteles beanspruchte daher eine erste Ursache, die selbst unverursacht ist und die er „unbewegten Beweger“ nennt. Viele mittelalterliche Denker, auch Thomas von Aquin, liefern Argumente dafür, dass es sich hierbei um Gott selbst handelt.

Varianten des kausalen Gottesbeweises wurden vielfach der Kritik unterzogen. Typische Einwände sind etwa die Folgenden: Akzeptiert man den Beweisgang, folge nur, dass es eine erste Ursache gibt – nicht aber, dass diese mit Gott gleichzusetzen ist. Warum folgt aus dem Prinzip, dass alles eine Ursache hat, dass es eine erste Ursache gibt? Wer so argumentiert, breche die Kausalkette willkürlich ab. Sie könne aber auch ins Unendliche fortgesetzt werden. Es könne beispielsweise mehrere Götter geben, die einander der Reihe nach erschaffen. Das Universum könne ewig existieren, was nach einigen kosmologischen Modellen mit der Urknalltheorie vereinbar sei. Oder, wenn ein Gott ohne Grund existieren kann, könne auch das Universum ohne Grund existieren.

Eine erste Ursache anzunehmen, sei demnach keine logische oder metaphysische Notwendigkeit, sondern entspringe unserer Art, die Welt wahrzunehmen.

Auch wenn man sich von einem Kausalitätsbegriff entfernt, nach dem Ursachen stets ihrer Wirkung zeitlich vorausliegen, sei nicht mehr beweisbar, dass eine erste Ursache notwendig existieren muss. Dies wird uns in der Empirie wieder begegnen.

Verschiedene Systeme zeigten unter bestimmten Bedingungen „spontan“ ohne Auslöser auftretende Phänomene, Strukturen oder Entitäten (Selbstorganisation, Strukturbildungprozesse, Emergenz). Diese Entitäten könnten wiederum die Grundbausteine für übergeordnete Strukturen bilden. Dies mache es prinzipiell denkbar, dass nicht alles auf eine erste Ursache zurückgeht. Wir werden diesen Punkt später noch einmal aufgreifen.

Steht nicht die Prämisse „alles hat eine Ursache“ in einem formalen Widerspruch dazu, dass Gott keine hat? Um dies zu vermeiden, ist die Prämisse darauf einzuschränken, dass alles kontingente eine Ursache hat. Kritiker wenden ein, dass eine solche Reformulierung den Beweis zirkulär mache.

Der ontologische Gottesbeweis

Die erste bekannte Version des ontologischen Gottesbeweises wurde von Anselm von Canterbury (1033-1109) formuliert, danach nicht zuletzt von Descartes. Seinen Namen erhielt der Beweis nach dem griechischen Wort für das „Seiende“ (to on, gen. ontos).Ausgangspunkt des Beweises ist der Begriff „Gott“ wie er im menschlichen Denken, geprägt von christlichen Einstellungen, gefüllt wird. Demnach wird als „Gott“ der- oder dasjenige bezeichnet, was das größte Denkbare ist – also worüber hinaus nichts Vollkommeneres gedacht werden kann. Am vollkommensten sei ein Wesen, wenn es auch existiere. Denn vollkommener als ein gedachtes Wesen ist ja ein existierendes Wesen. Das vollkommene Wesen „Gott“ müsste also per definitionem existieren.

Die Argumentation ontologischer Gottesbeweise beruht auf bestimmten Voraussetzungen. So versteht den ersten Satz etwa nur, wer einen Begriff für das vollkommenste Wesen besitzt. Ansonsten wäre der Satz unverständlich. Entscheidend ist, ob dieser Begriff „leer“ ist, ob ihm also etwas in der Wirklichkeit entspricht oder es sich nur um eine Sprachkategorie handelt.

Thomas von Aquin kritisierte Anselm von Canterburys Version des ontologischen Gottesbeweises. Er versucht in seiner Summa contra gentiles Anselms Gottesbeweis zu widerlegen. Daraus, dass das Wort ‚Gott’ im Verstande begriffen wird, folge lediglich, dass Gott im Verstande ist, nicht aber, dass er tatsächlich existiert. Thomas hat den späteren Kant beeinflusst. In der Neuzeit hat Leibniz die Descarte’sche Variante dahingehend korrigiert, dass zunächst die Möglichkeit der Existenz Gottes zu zeigen sei, unter dieser Voraussetzung aber dem Beweis zugestimmt. Die bekannteste neuzeitliche Kritik des ontologischen Gottesbeweises stammt von Immanuel Kant.

In seiner Kritik der reinen Vernunft (1781) versucht er zu zeigen, dass der ontologische Beweis verschiedene Kategorien vermenge. So werde der grammatische Begriff sein wie ein Eigenschaftswort verwendet. Weiterhin setze die Definition des vollkommenen Wesens dessen Existenz bereits voraus. Zu sagen, dass ein Ding ist oder existiert, füge ihm keine Eigenschaft. Der einzige Beweis für eine Existenz ist die Erfahrung. Man wiederholt daher nur, dass man erfahren hat, dass dieses Ding existiert.

Der ontologische Beweis ist daher schlicht ein Zirkelschluss oder eine Tautologie. Allerdings kannte Kant nur den ontologischen Gottesbeweis des René Descartes, nicht aber den von Anselm von Canterbury.

Albertus Magnus

Albertus Magnus war der erste große christliche Aristoteliker des Mittelalters. 1243 ging Albertus für fünf Jahre an die Universität nach Paris, erwarb dort 1245 den Magister der Theologie, lehrte drei Jahre lang und befasste sich dabei intensiv mit Aristoteles und der jüdisch-arabischen Philosophie. Thomas von Aquin schloss sich ihm in dieser Zeit als Schüler an. 1248 kam Albertus erneut nach Köln, um dort das gerade ins Leben gerufene Studium Generale zu leiten. Unter ihm entwickelte die Kölner Klosterschule einen hervorragenden Ruf und zog Studierende aus ganz Europa an.

Sein großes, vielseitiges Wissen verschaffte ihm den Namen Magnus (der Große), den Titel Kirchenlehrer und den Ehrentitel doctor universalis. Er kannte die antike und zeitgenössische Fachliteratur und wollte das Wissen seiner Zeit vollständig erfassen und in Lehrbüchern verständlich darlegen. Die mehr als 70 handschriftlich verfassten Abhandlungen und Bücher ergäben heute etwa 22.000 Druckseiten.

Thomas von Aquin

Thomas von Aquin gilt als einer der wirkmächtigsten Philosophen und Theologen der Geschichte. Die Argumentationen des Aquinaten stützen sich zu einem großen Teil auf die Lehre von Aristoteles, die er – nicht zuletzt mit Hinsicht auf die der Antike unbekannten theologischen Lehren bzw. Einsichten – ausgebaut hat. In der Philosophie werden seine Kommentare zu Aristoteles noch heute als bedeutsam angesehen:

Ein Kernelement der thomistischen Ontologie ist die Lehre von der Analogia entis. Sie besagt, dass der Begriff des Seins nicht eindeutig, sondern analog ist, also das Wort „Sein“ einen unterschiedlichen Sinn besitzt, je nachdem, auf welche Gegenstände es bezogen wird.

Wir würden sagen, das Sein ist ein relativer Begriff.

Danach hat alles, was ist, das Sein und ist durch das Sein, aber es hat das Sein in verschiedener Weise. In höchster und eigentlicher Weise kommt es nur Gott zu: Nur er ist Sein. Alles andere Sein hat nur Teil am Sein und zwar entsprechend seinem Wesen. In allen geschaffenen Dingen muss also Wesen (essentia) und Existenz (esse) unterschieden werden; einzig bei Gott fallen diese zusammen.

Der tätige Verstand kann durch Abstraktion (wörtl. das Abziehen) der Formen aus den einzelbestimmten Dingen erkennen. Als letzte bzw. erste Ursache des Seins und Soseins der Dinge erkennt der menschliche Geist Gott, in dessen Geist die ewigen Ideen die Vorbilder für die Formen (formae) der Dinge sind.

Wir sehen, Thomas hat unser Denken maßgeblich beeinflusst, er stellt uns die Methode der gedanklichen Abstraktion erstmals zur Verfügung.

Thomas von Aquin war einer der einflussreichsten Theoretiker für das mittelalterliche Staatsdenken. Dabei sah er den Menschen als ein soziales Wesen, das in einer Gemeinschaft leben muss. In dieser Gemeinschaft tauscht er sich mit seinen Artgenossen aus, und es kommt zu einer Arbeitsteilung.

Für den Staat empfiehlt er die Monarchie als beste Regierungsform, denn ein Alleinherrscher, der mit sich selbst eins ist, kann mehr Einheit bewirken als eine aristokratische Elite. Hier müssen sich mehrere einigen, was immer nur zu einem Kompromiss, also einer Angleichung, einer Anpassung, einer Aufgabe seiner eigenen Meinung und Überzeugung führt. Außerdem ist immer dasjenige am besten, was der Natur entspricht, und in der Natur haben alle Dinge nur ein Höchstes.

Thomas stellt der Monarchie als der besten die Tyrannis als die schlechteste aller denkbaren Regierungsformen gegenüber. Dabei merkt er an, dass aus der Aristokratie leichter eine Tyrannis entstehen kann als aus einer Monarchie.

Um die Tyrannei zu verhindern, muss die Gewalt des Alleinherrschers eingeschränkt sein. Ist sie jedoch einmal eingetreten, so soll sie zunächst ertragen werden, denn es könnte ja auch noch schlimmer kommen (z. B. Anarchie). So schlussfolgert Thomas, dass es besser ist, gegen eine Bedrückung nur nach allgemeinem Beschluss vorzugehen. Wir sehen hier die Nachwirkungen der stoischen Philosophie deutlich.

Wie viele Staatsdenker des Mittelalters zieht auch Thomas von Aquin den organischen Vergleich zum Staatsgebilde heran. Hierbei sieht er den König, als Vertreter Gottes im Staat, als Vernunft und Seele für den menschlichen Körper, dessen Glieder und Organe die Bevölkerung darstellen. Seine Erfüllung findet jedes einzelne Glied in der Tugendhaftigkeit angelehnt an Aristoteles.

Dennoch sieht Thomas das Priestertum über dem Königtum; der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche steht also in Glaubens- und Sittenfragen über dem König.

Somit ist der mittelalterliche Untertanenstaat und die Macht der Kirche über alles begründet. Ein Jahrtausend lang müht sich Europa um Gottesbeweise und versinkt in Anarchie, Chaos, Krieg, Pest und Unwissenheit. Vieles des Antiken Denkens wird vergessen und nur von den moslemischen Philosophen bewahrt.

Einige wenige Denker denken den Staat weiter – doch die Prinzipien der Königs- und Kirchenherrschaft stellt keiner ernsthaft in Frage.

Das geschieht erst in der Neuzeit, die wir mit Dante beginnen lassen wollen.

1.2.1 Die Römer – Das Imperium, Seneca, Cicero und Mark Aurel

Mark Aurel (wikipedia.de)Wenn wir von den Römern sprechen, müssen wir vor allem einen neuen Begriff einführen: Das Imperium. Ein Imperium bezeichnete zunächst den Machtbereich eines römischen Beamten. Das Amt wurde auch als Magistrat bezeichnet, ein Begriff den wir von so mancher Schreibstube auch heute noch kennen. Das Imperium Romanum stellt einen neuen Staatstyp dar, gestartet als Republik, über die Senatsherrschaft bishin zur Willkürherrschaft Neros machte dieses Riesengebilde, das Weltreich der Antike, einiges an Staatsformen durch, ohne jedoch an diesen zu zerbrechen.

Dies hat seine Ursachen in der Art des Staatsaufbaus des römischen Reiches. Eine klare Schichtung der Bevölkerung, die ständige gewaltsame Unterdrückung der Provinzen, immense Maßnahmen im Bau der Infrastruktur. Strassen, Brücken, Wasserversorgung, Häfen und Schifffahrtsrouten der Römer bestehen teilweise heute noch, gepaart mit einem immer anwesenden Kriegsethos und strikten Gesetzen, stabilisierten das Reich über Jahrhunderte und machten ein Staatsgebilde möglich, welches wir erst in der Moderne wieder sehen werden.

Was lernen wir aus dem Römerreich? Nun, erstens, dass ein erfolgreicher Staat nicht auf demokratische Prinzipien gegründet sein muss. Auch Diktaturen können Großes leisten. Zweitens lernen wir, dass eine Staatsführung nicht auf dem Vernunftsprinzip oder der Suche nach dem Guten beruhen muss. Auch die Führung mit dem Schwert, der Intrige, dem rohen Machtprinzip kann, auch über lange Zeiträume, stabil funktionieren. Drittens lernen wir von den Römern, dass Standards wichtig sind, wenn man multikulturelle Teile eines Staates integrieren will. Maße, Währung, Verwaltung und Recht: Nur die Vergleichbarkeit und Tauschbarkeit von Gütern macht einen erfolgreichen Handel im Imperium möglich. Dies erfordert natürlich Rechtssicherheit: Das spätrömische Zivilrecht bildete im kontinentalen Europa viele Jahrhunderte lang die maßgebliche Rechtsquelle und auch das BGB hat seine Wurzeln im wissenschaftlich bearbeiteten Corpus Iuris Civilis.

Weiterhin lernen wir aus Rom etwas über die Psychologie der Massen: Brot und Spiele (Panem et circenses): Der römische Dichter Juvenal kritisiert in seiner Satire das römische Volk, das in der Zeit der funktionierenden Republik die Macht an Feldherren verliehen und Beamte gewählt habe und sich jetzt ängstlich nur noch diese beiden Dinge wünsche. In dem riesigen ovalen Circus Maximus wurden sie mit Wagenrennen unterhalten, während sie sich im Kolosseum an Gladiatorenkämpfen und Tierhetzen ergötzten. Nebenbei wurde auch noch Brot in die Menge geworfen. Ein Schelm, wer dabei an den Kölner Karneval oder „Wer wird Millionär“, oder gar „Big Brother“ denkt.

Für die römische Religion zentral war das göttliche Wirken. Der göttliche Wille konnte sich in allen Lebewesen wie auch natürlichen und gesellschaftlichen Vorgängen und Handlungen äußern, so dass die römische Welt von einer Vielzahl von abstrakten Begriffen – aequitas, concordia („Einigkeit“), honos („Ehre“), libertas („Freiheit“), mens („Geist“), salus („Heil“), spes („Hoffnung“), virtus („Tugend“) – als Funktionsgöttern beherrscht war, die den Menschen kultisch und sozialrechtlich in die Pflicht nahmen. Die innenpolitische Verbindung von Politik und Religion war sehr eng.

Gegen Ende des römischen Reiches manifestierte sich der Wunsch nach einem Gott dann auch in der neuen Staatsreligion: Dem Christentum. Eine fundamentale Änderung im gesamten Denken über den Staat trat ein, doch dazu später mehr.

Von den römischen Denkern wolle wir uns drei etwas genauer anschauen: Cicero, Seneca und den „Philosophenkaiser“ Marcus Aurelius.

Cicero

Cicero studierte Recht, Rhetorik, Literatur und Philosophie in Rom. Nach seinem Militärdienst setzte er seine Studien in Griechenland und Kleinasien fort. Er studierte auch bei den Philosophen der Neueren Akademie. Er kehrte 77 v. Chr. nach Rom zurück und begann seine Karriere als Politiker und Rechtsanwalt und Philosoph. Cicero hatte seinen bemerkenswerten Aufstieg nicht nur seinem großen Rednertalent zu verdanken, sondern auch seinem Ehrgeiz und der oft als Opportunismus angesehenen Anpassung an die politischen Verhältnisse.

Cicero war Republikaner und Gegner Caesars. Er war Senator, Gerichtspräsident und römischer Konsul, welches das höchste Staatsamt während der Römischen Republik war. Cicero gilt als der bedeutendste Vertreter des philosophischen Eklektizismus in der Antike. Sein Denken enthält sowohl Elemente der Stoa wie auch solche Epikurs und anderer Denker.

Der Begriff Eklektizismus ist etwa zur Zeitenwende geprägt worden. Damals existierten verschiedene Philosophenschulen nebeneinander, und es gab Denker und Politiker, die Elemente der unterschiedlichen Positionen miteinander verbanden. So auch Cicero.

Cicero gilt als der bedeutendste römische Redner. 58 Reden sind im Originaltext erhalten, etwa 100 bekannt. Die Texte können grob in politische Reden einerseits sowie Verteidigungsreden vor Gericht andererseits eingeteilt werden, wobei auch letztere oft politischen Hintergrund haben. In seinem ersten erhaltenen Werk (De inventione I 1–5) erklärt er, Weisheit, Beredsamkeit und Staatskunst hätten ursprünglich eine Einheit gebildet, die erheblich zur Entwicklung der menschlichen Kultur beigetragen habe und wiederherzustellen sei.

Cicero trennt also nicht zwischen Rhetorik und Politik – eine Tatsache, die wir uns merken sollten und die uns im Laufe der Staatsgeschichte noch häufiger unterkommen wird.

Er hat einige Schriften zur Rhetorik verfasst, darunter z.B. Brutus, De inventione (Über die Findung) oder De oratore (Über den Redner). Zu Ciceros weiteren Werken zählen Gedichte und Übersetzungen, darunter auch von Platons Texten. Seine Reden bilden zusammen mit Caesars Schriften die Grundlage für das heutige Schullatein.

Nicht weniger wichtig sind aber auch seine theoretischen Schriften über den Staat und über die Gesetze. Auf Ciceros Begriff humanitas, der sich in seiner Rede über die Gesetze befindet, gehen später die Begriffe studia humanitatis für eine ganzheitliche Bildung, und Humanisten, als die sich die italienischen Denker des 15. Jahrhunderts im Zeitalter der Renaissance selbst bezeichnen, zurück.

Besonders meint Cicero mit Bildung aber die Sprache, Rhetorik und Philosophie und damit einhergehend besonders die Tugend. Während der Aufklärungszeit spricht man von Humanität und man meint damit allgemein Menschlichkeit. Dafür gelten als Beispiele Johann Gottfried Herder und Friedrich Schiller. Auch bei Goethe finden wir das wieder.

Für den italienischen Humanismus wird Cicero geradezu zu einem Idol und Vorbild des Menschen der Renaissance. Durch Francesco Petrarca kommt es zu einer Bewegung der Wiederbelebung des klassischen Altertums, wo der Mensch der Renaissance sein „Ich“ im Spiegel des Altertums erkennt. Er beginnt sich als Individuum zu begreifen. (siehe das Kapitel Renaissance hierzu.) Wir erinnern uns an den Satz des Protagoras: Der Mensch ist das Maß aller Dinge, den der Humanismus wieder aufgreift.

Der italienische Humanismus breitet sich in ganz Europa aus. Er hat auch auf die Deutschen tiefen Eindruck hinterlassen. Er ist sogar eine der Wurzeln der Reformation. Wichtige Vertreter sind Johannes Reuchlin, Erasmus von Rotterdam und Philipp Melanchthon. Ihr Humanismusbegriff hat aber eine deutlich christliche Prägung.

Wir sehen: Cicero ist die Brücke, über die das griechische Denken in die Neuzeit gelangt. Zusätzlich gibt er uns einen Bildungsbegriff mit, den die neuzeitlichen Bildungsreformatoren aufgenommen haben. Wir sehen auch: es kann eine Einheit zwischen Denken und Handeln geben. Allerdings ist dies streng an den Charakter des Einzelnen gebunden und somit wohl eher als historischer Glücksfall zu werten, denn als allgemeine Doktrin.

Cicero begründet den Humanismus mit und wirkt damit entscheidend auf viel spätere Epochen nach. Wieder einmal stellen wir fest, das Denken Freiräume braucht und sich gegebenenfalls erst hunderte Jahre später voll entfalten kann.

Seneca

Etwa hundert Jahre nach Cicero stoßen wir auf Seneca. Er war römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Staatsmann und als Stoiker einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. Er wurde im spanischen Cordoba als Sohn eines römischen Ritters geboren, bald nach Rom „verschickt“, um dort ausgebildet zu werden.

In „Über den Zorn“ schreibt Seneca über die Beherrschung von Emotionen – auch er stellt die Notwendigkeit von Bildung und Übung dar, die bei den Stoikern ja durchaus hoch im Kurs standen. Seneca wurde nach Intrigen für acht Jahre nach Korsika verbannt – eine Zeit in der er die stoische Unterwerfungslehre an eigenem Leib testen konnte. Nach Machtwechseln in Rom und seiner Rückkehr bekleidete Seneca im Jahre 50 n. Chr. die Prätur, die Vorstufe zum Konsulat als höchstem Amt in der römischen Magistratur. Später wurde er Lehrer des Kaisers Nero.

Berühmt ist seine Schrift „Von der Kürze des Lebens“ (De brevitate vitae), in der er den Menschen die Verschwendung ihres Lebens durch unsinnige Dinge unterstellt. Er kritisiert die Genusssucht genauso wie den Geiz oder die Habgier. Die Menschen vergeuden ihre Zeit mit Sinnlosem, So Seneca. Das erinnert uns an den carpe diem Spruch des Horaz, der auch im barock’schen memento mori eine tragende Rolle spielen wird.

Das politische Wirken Senecas ist tragisch: Immer auf stoische Milde, Zurückhaltung und Ausgleich bedacht, muss er erkennen, dass sein Schüler Nero das genaue Gegenteil tut. Als Antwort hierauf entwickelt Seneca die These, dass ein Weiser sich gerade in einer für das Gemeinwesen schwierigen Lage verdient machen könne und dass es den Umständen entsprechend abzuwägen gelte, wann politisches Engagement chancenreich und wann aussichtslos sei. Recht passend dazu hat Seneca auch Tragödien verfasst – er scheint sich seiner Position bewusst gewesen zu sein.

Gegen Ende seines Lebens verfasst er mehrere Schriften, in denen er sein politisches Engagement begründet. Er konstruiert einen Ethos: Die Pflicht eines jeden einzelnen Menschen sei es, a) seinen Verstand anzuwenden und b) der Gemeinschaft zu dienen. Er legt die Grundlagen für das spätere volonté générale des Rousseau, sowie für die Calvinistische Arbeitsethik. Weiterhin zeigt er für seine Zeit recht fortschrittliche Gedanken zur Gleichberechtigung und zur Würde des Menschen, speziell in der Sklavenfrage.

Mark Aurel

Mark Aurel war römischer Kaiser von 161 bis 180 n. Chr. Er ist uns auch als der Philosophenkaiser bekannt und seine Selbstbetrachtungen sind sein Hauptwerk. Bei Mark Aurel schließt sich ein Kreis: Das Denken der griechischen Stoa gepaart mit der Machtpolitik des römischen Imperiums. Insofern stellt die Regentschaft des Philosophenkaisers, zumindest theoretisch, das Paradebeispiel einer, ganz im platonischen Sinne, guten Herrschaft dar.

Freiheit und Gerechtigkeit, vor allem im Sinne gleichen Rechts für alle, gehörten zu den früh angeeigneten und stets beibehaltenen politischen Leitvorstellungen Mark Aurels.

„Severus war mir ein Beispiel in der Liebe zu unseren Verwandten wie auch in der Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe (…), durch ihn bekam ich einen Begriff, was zu einem freien Staate gehört, wo vollkommene Rechtsgleichheit für alle ohne Unterschied herrscht und nichts höher geachtet wird als die Freiheit der Bürger.“ (I, 14)

Worauf es ihm ankam, war ein vernunftgeleiteter und gemeinwohlorientierter Machtgebrauch, der mit den Grenzen der eigenen Kompetenz rechnete und dem größeren Sachverstand den Vortritt ließ bzw. die Problemlösung übertrug.

Seinen philosophischen Überzeugungen entsprechend, konzentrierte Mark Aurel sein Regierungshandeln, solange ihm dies möglich war, auf die inneren Strukturen des Reiches. Das besondere Augenmerk galt dabei den Schwachen und Benachteiligten der römischen Gesellschaft, den Sklaven, Frauen und Kindern, deren Situation er zu erleichtern suchte. Mehr als die Hälfte der überlieferten Gesetzgebungsakte des „Philosophen auf dem Kaiserthron“ zielten auf Verbesserung der Rechtsstellung und Freiheitsfähigkeit dieser Bevölkerungsgruppen. Er lässt also eine Art Sozialstaatlichkeit erkennen.

Was bleibt für uns aus der Herrschaft Mark Aurels? Nun, zunächst die Tatsache, dass absolute Herrschaft eines einzelnen Regenten durchaus gut sein kann. Mehr noch: Auch große Staatsgebilde können aristokratisch vernünftig regiert werden.

In unserer Forderung nach guter Führung stellen wir also bis 200 n. Chr. keine absolute Notwendigkeit zu demokratischen Strukturen fest. Also kann Platons und Aristotoles‘ Forderung nach Gutem und Gerechtem doch nicht an der Staats-Form festgemacht werden?

Es muss also eine andere Begründung für die Notwendigkeit von demokratischen Strukturen geben. Nicht Wohlstand, nicht Größe, nicht innere Freiheit, nicht Sicherheit, nicht Sozialpolitik und nicht das Rechtswesen bedingen Demokratie. All das kann auch unter einem weisen Monarchen verwirklicht werden. Warum also überhaupt nach den weiteren Gründen suchen? Wäre es denn nicht damit getan, Strukturen für die hervorragende Bildung von Herrschern zu schaffen, die dann weise und gut das Land regieren? Ganz im Sinne des Platonischen Versuchs, Herrschaft zu züchten? Wir merken uns folgenden Satz:

„Die Begründung von demokratischen Strukturen ist einzig und allein der Schutz vor Willkür“.

Das römische Imperium litt immer wieder unter Intrigen, Morden und (Bürger)Kriegen. Diese wurden vor allem durch charakterschwache Monarchen verursacht. Wir erinnern uns – Macht korrumpiert!, hatte schon der Grieche Herodot bemerkt. Die Unvorhersehbarkeit des Menschlichen zwingt uns, von der Person des Herrschers Abschied zu nehmen.Wie die Menschheit dazu die Mittel entwickelt hat, werden wir noch sehen. Zunächst aber stürzt Europa nach dem Untergang des römischen Reiches in eine ganz andere Zeit.

1.2 Der Untertanenstaat

Alexander der Große, Schüler des Aristoteles, makedonischer König und Tyrann beendete mit seinen Armeen die Zeit der Poleis und begründete das erste uns schriftlich gut überlieferte Großreich. In nur 10 Jahren eroberte er halb Asien, vernichtete das alte Perserreich, gründete zahllose griechische Städte (Kolonien) von Ägypten bis an die indische Grenze. An die Stelle der gebildeten Oberschicht und deren Herrschaft trat die Anbetung eines gottgleichen Herrschers, der mit Feuer und Schwert politische Einheit schmiedete anstatt in Versammlungen über Gerechtigkeit zu debattieren.

Wie so oft  nach dem Tode eines Tyrannen, gelang es den Nachfolgern Alexanders nicht, die Einheit seines Reiches zu erhalten – es schwächte sich zunehmend und zerfiel letztendlich um von der nächsten Großmacht, den Römern, überrannt zu werden.

Über die Philosophie der Römer werden wir uns später noch unterhalten – an dieser Stelle sei die Anmerkung genug, dass im Zuge der Militarisierung des Staates auf gedanklicher Ebene eine Art Gleichgültigkeit oder Resignation eintrat – Die Philosophen zogen sich auf die individuelle Glückssuche zurück – Kyniker, Skeptiker und Stoiker lehrten jeweils in ihren Schulen. Das politische Denken verkümmerte – Askese, Selbstfindung, das rechte Leben standen im Vordergrund der Denker.

Die Griechen beeinflussten das römische Reich dennoch über zwei Jahrhunderte hinweg. Unter der Jugend Roms war es zeitweilig Mode, griechisch zu lernen. Die Stoa beeinflusste römische Denker und begründete von Syrern und Römern getragen den Determinismus. Alles war Vorsehung, auch der schreckliche Herrscher. Dieses Denken ebnete den Weg in den Untertanenstaat

Ursprünglich war Rom ein Stadtstaat unter etruskischer Königsherrschaft. Ab ca. 475 v. Chr. wandelte sich Rom in die res publica, die Römische Republik, ähnlich der Polis, mit einer Gemischten Verfassung aus Demokratie und Aristokratie. Das oberste Amt im Staat übten zwei jährliche Konsuln aus, welche die oberste Regierungsgewalt hatten. Die römische Adelsversammlung, der Senat, spielte eine bedeutende Rolle.

Rom war eine Ständegesellschaft: An der Spitze standen die alten Familien Roms, die Land besitzenden Patrizier, die politisch am einflussreichsten waren. Den größten Teil der Bevölkerung machten aber die Plebejer aus, die nur teilweise politische Rechte hatten. Sklaven wurden nicht als autonom handelnde Menschen, sondern als „sprechende Werkzeuge“ betrachtet, hatten also keine Rechte, konnten aber die Freiheit erlangen.

Durch die militärischen Eroberungen wurden jedoch neue Besitzverhältnisse geschaffen, die das Gleichgewicht in Frage stellten. Letztendlich wuchs Rom nach außen und verkrachte sich nach innen – es gab Eroberungskriege und Bürgerkriege im Innern. Diese Kriege waren teuer – schließlich wurden sie von Söldnerheeren begangen – und so verlagerte sich das Staatswesen mehr und mehr in die Geldwirtschaft – eine neue, reiche Soldatenkaste entstand.

Nach dem Sieg über Karthago geriet die Republik seit der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. in eine innenpolitische Krise, die schließlich in die Epoche der Bürgerkriege mündete und mit dem Untergang der bisherigen Staatsform enden sollte.

Es folgte die Diktatur Sullas, bald darauf das erste Triumvirat der Gaius Iulius Caesar, Gnaeus Pompeius Magnus und Marcus Licinius Crassus, welche eine Art Aristokratie darstellten. Im Jahre 46 v. Chr. hatte sich Caesar dann zum Diktator auf 10 Jahre ernennen lassen.

Nach seinem letzten militärischen Erfolg wurde er zum dictator perpetuus (Diktator auf Lebenszeit), ernannt. Um die Einführung der Diktatur zu verhindern, wurde Caesar 44 v. Chr. von etwa 60 Verschwörern um Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus während einer Senatssitzung erstochen.

Dem Tod Caesars folgten weitere innere Wirren und Bürgerkriege, die bis zum Jahr 31 v. Chr. dauern sollten. Erst 27 v. Chr. mit der Ernennung des Octavian zum Augustus und der Einführung der Diktatur endete der Bürgerkrieg. Rom war 70 Jahre lang de facto von den Legionsführern beherrscht worden und wurde nun vom „princeps senatus“ geführt. Letztlich war das Prinzipat eine verschleierte Monarchie: Augustus verzichtete auf die absolute Macht, ließ vielmehr den Senatsadel daran teilhaben, behielt aber gleichzeitig alle wichtigen Funktionen in seiner Hand.

Im Vergleich zum vorangegangenen Jahrhundert und zur Herrschaft vieler Nachfolger des ersten Kaisers brachte die augusteische Ära – das Saeculum Augustum – Rom eine lange währende Zeit von innerem Frieden, Stabilität, Sicherheit und Wohlstand. Dies war der Grund, warum die Menschen sich letztlich mit der Einführung der Monarchie und dem Ende der Republik abfanden, zumal der Versuch einer Rückkehr zur republikanischen Ordnung wohl zu einem neuen Bürgerkrieg geführt hätte.

Der Untertanenstaat war geboren.