1.2.2 Stammeskulturen

Im fünften Jahrhundert fielen germanische Stämme im Weströmischen Reich ein. 410 plünderten die Westgoten die Stadt Rom. 476 setzte der Germane Odoaker Romulus den Augustulus als weströmischen Kaiser ab. Die Platonische Akademie wurde im Jahre 529 durch Kaiser Justinian I. geschlossen; es wurde verboten, in Athen Philosophie zu lehren. Die Zeit der Antike war endgültig vorbei.

Nach dem endgültigen Zusammenbruch des Weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert verfiel Westeuropa für einen beträchtlichen Zeitraum in Barbarei, Gesetzlosigkeit und ökonomischen Stillstand, der im Allgemeinen als Dunkle Zeit bezeichnet wird. Die von den Römern geschaffene Infrastruktur, darunter öffentliche Gebäude, Gerichte, Rechts- und Bildungswesen, Schriftstücke, Münzprägung und Handel verschwand zu einem großen Teil.

Wesentliches Element der politischen und sozialen Ordnung auf germanischem Gebiet waren die Stämme. Ein Stamm verfügte als Siedlungsgemeinschaft über ein bestimmtes Siedlungsgebiet, auf dem auch Angehörige anderer ethnischer Gruppierungen leben konnten, wie beispielsweise in eroberten Gebieten. Der Stamm besaß eine einheitliche politische Führung bzw. stellte eine Rechtegemeinschaft dar. Ebenso gab es eine gemeinsame Sprache, religiöse Riten und ein Identitätsbewusstsein, dessen deutlichster Ausdruck ein Mythos der gemeinsamen Abstammung war. (vgl. Drittes Reich)

Die Gesellschaftsstruktur der Germanenstämme war im Wesentlichen gleich. Die Familie bildete den Kern der germanischen Gesellschaft. Ihr gegenüber waren alle Mitglieder zu voller Loyalität verpflichtet. Das Oberhaupt hatte die Aufgabe die gesamte Familie zu schützen. Dies umfasste auch die Unfreien, also die Knechte und Mägde. Eine Sippe umfasste alle Blutsverwandten. Zusammen siedelte man in einer Dorfgemeinschaft und kämpfte im Krieg als geschlossener Verband. Kam es zu Streitigkeiten, besaßen die Sippen das Recht ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Wurde ein Mitglied einer Sippe angegriffen, stand die ganze Sippe zusammen und verteidigte es.

Alle freien und kampffähigen Männer einer Stammesgemeinschaft bildeten zusammen den so genannten Thing, der als Versammlung des Stammes das Oberhaupt wählte. Ebenso schnell konnte ein Oberhaupt auch wieder abgesetzt werden, wenn es nicht verstand seine Pflichten im Sinne der Gemeinschaft zu erfüllen. Das Oberhaupt war eher ein Stammeshäuptling als ein König oder Konsul, wie es bei Römern und Griechen zu dieser Zeit üblich war. Erst als sich Auseinandersetzungen mit den Römern häuften, begannen die Germanen ihre Oberhäupter als Könige zu bezeichnen.

Während des Thing, der meist im Freien an heiligen Stätten stattfand, galten strikte Regeln. Die Versammlung war den Göttern geweiht, eine Störung beleidigte diese und wurde von den Priestern hart bestraft. Jedes Mitglied des Rates hatte eine Stimme. Doch es wurde nicht nur über Krieg und Frieden entschieden. In der Vollversammlung wurde auch Gericht gehalten oder über die Aufnahme neuer Mitglieder in den Thing abgestimmt. So konnte ein Unfreier, der im Kampf zu Ruhm und Ehre gekommen war, den Status eines freien Mitgliedes des Thing erlangen.

Unser heutiger Bundestag leitet sich aus diesem germanischen Thing ab.

Etwa um 500 beginnt unter König Chlodwig, der mit seinem Volk geschlossen zum Christentum übergetreten war, der Aufstieg des Fränkischen Reiches, das sehr bald auf den Überresten des Weströmischen Reiches und der Reiche der anderen germanischen Völker seine Vorherrschaft in West- und Mitteleuropa begründet.

Eine allmähliche Erholung wurde durch drei Haupteinflussfaktoren gefördert: die Stabilisierung weiter Gebiete durch außergewöhnliche einflussreiche Anführer, die christliche Kirche (mit ihren Machtzentren in Rom und Irland), die versucht war, ein Minimum an Bildung zu konservieren und zu verbreiten sowie das Widererstarken von Handelszweigen, deren Grundlage die Landwirtschaft war, insbesondere der Handel mit Wolle und Stoffen.

Ebenfalls in diese Zeit fallen die Einfälle der Wikinger sowie der Magyaren zwischen 800 und 1100 bzw. 900 und 950. Zusammen mit der Eroberung Nordafrikas und eines Großteils der iberischen Halbinsel von ca. 650 bis 720 durch die Moslems bewirken sie die Auslöschung der letzten spätantiken Strukturen und setzen eine Entwicklung in Gang, die die Bauern im Frankenreich ihrer Freiheit beraubt und die staatliche Autorität zersplittert, da die Verteidigung der einzelnen Gebiete den dortigen Grundherren auferlegt wurde. Dies führt letztendlich zum Entstehen des feudalistischen Wirtschaftssystems.

Wirtschaftlich stellt das Frühmittelalter hauptsächlich eine Zeit der Naturalwirtschaft dar, wobei besonders das System der Grundherrschaft herauszustellen ist. Wesentliche Kulturträger sind das Byzantinische Reich, die Klöster, sowie die Gelehrten des arabisch-muslimischen Kulturkreises. Vor allem durch letztere kann ein wesentlicher Teil der antiken Literatur und Wissenschaften bewahrt werden.

Wir sehen also in den dunklen Jahrhunderten des frühen Mittelalters die vorgriechichische Stammeskultur wieder aufleben. Auch heute noch begegnen uns Strukturen aus dieser Zeit – vor allem unter den Völkern des Nahen und Mittleren Ostens sind begriffe wie Sippe oder Familienehre auch heute noch geläufig. Dass diese Denkweise völlig inkompatibel mit einem modernen Staatsverständnisses ist, wird sich im Laufe unserer Betrachtungen noch zeigen.

Wir lernen aus der Zeit der Stammeskulturen zweierlei: Zum einen gibt es auch für machtbasierte Hochkulturen keine Bestandsgarantie und zum anderen gibt es keine Garantien für zivilisatorischen Wohlstand.

Auch unsere Zeit ist nicht vor der Gefahr des Rückfalls in Stammeskulturen gefeit – die Taliban haben dies in Afghanistan und in Somalia gerade wieder eindrucksvoll bewiesen. Zivilisation und Kultur sind also Leistungen, die Anstrengung erfordern. Sie sind nicht gottgegeben, sondern menschengemacht und müssen verteidigt und bewahrt werden.

Weiterhin lernen wir, dass Geschichte und menschliche Entwicklung nicht zeitlich linear verlaufen. Wir sehen, dass Errungenes verloren geht und neu erlernt werden muss. Wir sehen, dass Technologien und Denkmodelle untergehen können. Wir müssen erkennen, dass nichts ewig ist und somit unsere eigene Relativität begreifen.

3.1.6 Wissenschaft ist der gegenwärtige Stand des Irrtums

Eine kleine Wissenschaftskritik oder Wissenschaft ist immer der gegenwärtige Stand des Irrtums

Stellen Sie sich vor, Sie sind Politiker, haben ein Problem, fragen Ihre besten Wissenschaftler im Staat nach Rat und… bekommen keinen. Das ist heute Alltag und die Politik ist zunehmend ratloser angesichts der steigenden Komplexität der Umwelt in der wir leben, und sie bekommt von der wissenschaftlichen Elite immer weniger konkrete Handlungsempfehlungen. Wie ist es dazu gekommen?

Seit dem Beginn der Neuzeit vor mehr als 500 Jahren hat die Wissenschaft eine beispiellose Karriere hingelegt: Von den neuzeitlichen Anfängen in den Universitäten von Paris und Prag, von der Scholastik der Wenigen, zu den Massenuniversitäten des späten 20. Jahrhunderts –  die Vermehrung des Wissens durch das systematische und institutionalisierte Forschen und Lehren hat der Menschheit unendlich viel Gutes gebracht. Auf der anderen Seite hat sie auch die Atombombe und das Tötungsgas Zyklon B hervorgebracht. Nichts desto trotz sind die Segen der Wissenschaft für die Menschheit geradezu ungeheuerlich positiv gewesen und haben unserer Spezies zu ungeahntem Wohlstand verholfen.

Wir wollen hier nicht über die Moral und die Wissenschaft im Allgemeinen diskutieren – dazu gibt es Lehrstühle und kilometerweise Regale in den Bibliotheken. Wir wollen uns nur kurz der politischen Wissenschaft und deren Methoden zuwenden, da diese a) Ihren Gegenstand aus den Sachgebieten dieses Buches beziehen und b) eben nicht eine Wissenschaft wie jede andere sein können. Letzteres möchte ich kurz begründen.

Die frühe Wissenschaft unterschied nicht in die modernen Paradigmen Erfahrung (=Empirie), Betrachtung (=Analyse) oder Sollen (=normative Theorien), oder die modernen Fachbereiche Natur-, Geistes-, und Sozialwissenschaften. Alles Wissen war eins – So entstanden auch die Summen der großen Denker des Mittelalters als Zusammenfassungen des damals gegenwärtigen Wissens. (siehe auch 1.2.3)

Nach der Wissensexplosion seit dem 17. Jahrhundert, spätestens aber seit der technisch-mechanischen Revolution des 19. Jahrhunderts mit seinen unendlich viel größeren Möglichkeiten, Wissen zu sammeln, zu ordnen und zu generieren ist es für den einzelnen Wissenschaftler unmöglich geworden, einen Überblick über alle Wissensbereiche zu erlangen. Mit Niklas Luhmanns Worten hat die funktionale Differenzierung, die übrigens in allen Gesellschaftsbereichen stattgefunden hat, auch und gerade in der Wissenschaft zu einer weitgehenden Spezialisierung der einzelnen Fach- und Sonderbereiche geführt.

Was in den Naturwissenschaften unbestreitbar von riesigem Vorteil ist – Deduktives, theoriegeleitetes Arbeiten, intersubjektive Überprüfbarkeit von Forschungsergebnissen und vor allem das Finden von Gesetzmäßigkeiten, Axiomen, die in der Natur wirken, scheint für die Geisteswissenschaften problematisch, wenn nicht gar unmöglich zu sein. Also hat sich in den letzten 100 Jahren des Wissenschaftszweig der Sozialwissenschaften herausgebildet, der, nomen est omen, die Erforschung des menschlichen Miteinanders zum Gegenstand hat. Dies soll, wie in den Naturwissenschaften, mit den Methoden derselben erfolgen, allerdings mit anderer Zielsetzung: Nicht die Funktionsweise des Natürlichen an sich soll verstanden werden, sondern das Menschliche Verhalten und dessen Ergebnisse. An manchen Stellen hört man das Wort von den Verhaltenswissenschaften auch heute noch.

Die Sozialwissenschaften überschneiden sich an einigen Stellen mit den anderen Forschungsparadigmen: In der Psychologie grenzen sie an die Naturwissenschaften, in der (empirischen) Literaturwissenschaft mehr als deutlich an die (klassischen) Geisteswissenschaften.

Nun aber zur Kritik. Die Sozialwissenschaften (hierzu zähle ich vor allem die Soziologie, die Psychologie, die Kommunikations- und Medienwissenschaften, die Wirtschaftswissenschaften, die Politikwissenschaften und die Erziehungswissenschaften) haben den Anspruch erhoben, mittels mathematisch-deduktiven Methoden axiomatische Erkenntnisse über das menschliche Verhalten zu liefern. Das haben sie bis heute in keinem mir bekannten Fall geschafft.

Wir kennen bis heute kein sozialwissenschaftliches Axiom. Wir können menschliches Verhalten weder erklären noch prognostizieren. Somit sind zwei der wesentlichen Ansprüche der empirischen Sozialwissenschaften gescheitert. Was wir können, ist reine Deskription: Wir können Realitäten beschreiben. Und selbst das können wir nur mit Einschränkungen. Unsere statistischen Modelle erlauben kaum mehr als die Betrachtung von drei, vier Variablen – in Umgebungen, in denen hunderte, wenn nicht gar tausende Umgebungsvariablen permanent auf das Individuum einwirken – wo eine komplexe Umwelt auf das äußerst komplexe System „menschliches Bewusstsein“ wirkt.

Zu allem Überfluss hat sich die (deutsche) Sozialwissenschaft auch noch von der einzigen Methode verabschiedet, die überhaupt wahre Erkenntnisse liefern könnte. Aus der unbegründeten Ablehnung der induktiven Methode heraus ist das Experiment als Methode in den Sozialwissenschaften tot – anstelle von sinnvoller Reduktion von Komplexität durch die Abschottung von Systemen von der Umwelt, betet man sklavisch-deduktiv unverständliche Theorien der 68er-Generation auswendig vor sich her. Anstelle von intuitivem Forschergeist herrschen hierarchische Bürokratie, akademische Postenschacherei und recht erfolgreiche Arbeitsvermeidung.

Es hat sich ein grober akademischer Filz in den Instituten gebildet. Sie können nicht schnell genug auf eine sich immer schneller entwickelnde Umgebung reagieren. Die Bürokratie an den Universitäten verlangsamt das Tempo derselben so stark, dass wenn der geneigte Wissenschaftler seine Forschung bewilligt bekommt, andere längst sein Thema besetzt haben. Oder noch schlimmer, die zu erforschende Wirklichkeit schon viel weiter als sein Gegenstand ist.

Und so mutiert die Sozialwissenschaft mehr und mehr zur Erbsenzählerei mit Statistik-Software. Aus mangelhaft erhobenem Datenmaterial werden krampfhaft Korrelationen als belege für ex ante , natürlich theoriekonform, formulierte (Hypo)Thesen gesucht und leider auch gefunden. Mit Scheingenauigkeiten im Promillebereich werden „Ergebnisse“ verkündet, die, wenn man denn mal die Fehlertoleranzen nachrechnet, oftmals gar keine Validität aufweisen.

Die Statistik ist eine äußerst fragwürdige Angelegenheit – einerseits liefert sie an geeigneter Stelle durchaus wertvolle Hinweise auf Sachzusammenhänge. Andererseits sind in komplexeren Modellen die Start- und Randbedingungen oftmals so willkürlich gesetzt, dass bei deren auch nur leichter Veränderung ganz andere Ergebnisse zustande kommen.

Selbst wenn wir sie denn finden: Korrelationen sagen nichts über Kausalitäten aus. Ein Grundfehler, der immer wieder in der Rezeption von empirischen Forschungsergebnissen gemacht wird, ist die Konstruktion von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen aus statistischen Daten ohne die Regelmäßigkeit hinter der Korrelation zu kennen. Als hervorragendes Beispiel hierfür gilt die zur Zeit (2007) geführte Diskussion um Erderwärmung und Klimawandel – die Zahlen für Erdtemperatur und CO²-Gehalt in der Atmosphäre korrelieren zwar, doch während die einen Forscher die Ursache der Erwärmung im Kohlendioxid sehen, sehen andere in ihm die Wirkung der Erwärmung.

Wissenschaft ist immer der gegenwärtige Stand des Irrtums. Diesen Satz von Prof. Gerhard Maletzke nehmen wir gerne in unseren Ideenkatalog mit auf.

Doch zurück zur Politik. Die Politik als Normen setzendes Element einer Gesellschaft kann aus ihrer eigenen Definition heraus nicht nur analytisch betrieben werden. Wenn es um Wertenscheidungen geht, muss die Politik aus moralischen, ethischen und(!) analytischen Überlegungen heraus Entscheidungen fällen (können). Die Politik jedoch bezieht ihre Entscheidungsgrundlagen zum einen aus der Lebenswirklichkeit des Alltags der Menschen, zum anderen aber aus der Wissenschaft – vornehmlich aus den Sozialwissenschaften, die mit mannigfaltigen Kommissionen, Berichten, Gutachten und Stellungnahmen am politischen Prozess beteiligt sind.

Ein empirisches Wissenschaftsverständnis impliziert das Paradigma der „Wertneutralität“. Sie verneint einen moralisch-ethischen, wertenden Beitrag des Wissenschaftlers zu seinen Forschungsergebnissen. Es wird lediglich die normative Auswahl des Forschungsgegenstandes dem Forscher zugestanden. Das finde ich falsch. So versteckt sich die Sozialforschung hinter dem Objektivitätspostulat und entgeht ihrer Verantwortung, die sie mit ihrer weitgehenden Forschungs-Freiheit per Grundgesetz Art 5(3)* verliehen bekommen hat.

Jeder Wissenschaftler soll und muss sich Gedanken darüber machen, ob seine Forschung, seine Methoden und seine Ergebnisse mit den geltenden Normen übereinstimmen oder nicht. Sonst legitimiert sich die Forschung in Auschwitz im Nachhinein genauso wie die Konstruktion der Atomwaffe.

Es darf keine gewissenlose Forschung geben, weil es keine gewissenlose Gesellschaft geben darf. Dies ist keine willkürliche Setzung – wie wir gelernt haben, dienen Regulative immer dem Schutz der Gesellschaft für Willkür – so auch hier: Der Schutz vor der Willkür des Wissenschaftlers muss zunächst durch sein Gewissen reguliert werden – wenn das nicht reicht, muss eine weiter Kontrolle durch Organe des Gemeinwesens erfolgen. Wir erinnern uns an die Checks und Balances der Amerikaner.

Objektive Wissenschaft, und darüber ließen sich Bücher füllen, ist meines Erachtens unmöglich – und weitestgehend auch unnötig, denn der Wissenschaftler muss seine Forschung sowieso verteidigen und ihm bleiben in Zeiten der nahezu beliebigen Manipulation von Daten und Methoden sowieso genügend Wege und Mittel, Positionen zu verstecken. Wenn dem so ist, dann sollte man das gleich offen tun, anstelle immer wieder sich hinter hohlen Phrasen der „Wertneutralität“ zu verstecken.

Das gilt natürlich vor allem für die politischen Wissenschaften, die im Zuge der Amerikanisierung der letzen Jahre viel von ihrer normativen Kraft verloren haben. Anstelle von Modellbildung und Staatskonstruktion ist Analyse des Bestehenden und das Zählen von Regierungsformen getreten. Nicht, dass ich hier falsch verstanden werde – wir brauchen beides, aber eben beides und nicht nur die endlosen Zahlenkolonnen der Demoskopen, die dann bei der nächsten Wahl es nicht annähernd schaffen, genaue Prognosen über den Wahlausgang abzugeben.**

Wir brauchen also, ganz normativ, Forschung für einen besseren Staat. Forschung, die mit Wissenschaftlern besetzt ist, die einen Namen tragen, die eine Meinung haben und zu dieser auch stehen. Möge dann der Wettbewerb über die besten Ideen entscheiden. Nur so kann der Fortschritt des Gemeinwesens sichergestellt werden und nur so können die sich wandelnden Wertebasen immer wieder in die politische Diskussion mit eingebunden werden.

* Art 5 (3) GG: “Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“

**So wurde in Finnland nach der Parlamentswahl im März 2007 nach falschen Prognosen die Veröffentlichung von Wahlprognosen vor der Wahl gestoppt.

Rauchen oder nicht rauchen, das ist die Frage…

Weit weg sind wir von der Seinsfrage des Hamlet – so viele Emails wie in den letzten Tagen zum Thema Rauchverbot habe ich seit der letzten Landtagswahl nicht mehr bekommen. Recht machen kann man’s keinem – die Beschimpfungen (warum die Leute wohl immer nur Beschimpfungen an Parteien schicken…) reichen von „Diskriminierung der Raucher“ bis „Kindermörder durch Passivrauchen“. Und natürlich alles dazwischen, vermengt mit einem undeutlichen Haß allem „obrigen“ gegenüber, dazu noch mit mehr als deutlichen Wahlabsagen und Radikalismusdrohungen. Jetzt fehlt nur nuch die Todesdrohung, wie wir sie auch schon hatten.

Ja, auch das ist Alltag in Deutschland im deutschen Politik-Geschäft – da hat man eine Meinung und landet auf irgendeiner „Feindesliste“, egal ob bei den Rechten im Parsimony-Forum oder bei den Linken im Antifa-Dossier. Warum eigentlich? Nur deshalb, weil man die politische MITTE repräsentiert? Weil man (lese:ich) IM politischen System arbeitet, dessen Grundsätze anerkennt und versucht, für das Allgemeine innerhalb der demokratischen Spielregeln zu handeln?

Viele der „gutgemeinten“ Zuschriften, bzw. deren Schreiber wissen gar nicht, auf wen sie sich einlassen, wenn sie radikal wählen. Oder erst gar nicht wählen gehen! Und somit dann doch die Ränder stärken. Mir persönlich fällt da nur ein: Macht’s doch besser! Eine grandiose Erfindung der Demokratie ist, dass alle mitmachen können. Nur ist wahrscheinlich manchen der Weg durch die Instanzen zu unbequem. Sitzungen sind lästig und andere könnten ja auch mal Recht haben. Da ist die politische Agitation aus den Büschen der Antifa schon einfacher. Da gibt’s keine Kontrolle.

Manchmal finde ich meinen Job zum Kotzen – zum Beispiel, wenn ein netter Mitbürger mal wieder die „Arschlöcher bei der FDP“ anschreibt, alle „Politiker scheiße sind“, oder „das ganze Sauvolk an die Wand gestellt gehört„. Danke, wir nehmen’s zur Kenntnis. Und arbeiten weiter, auch für das Wohl dieser Verirrten.