1.3.1.3 Exkurs

Da wir nun am Beginn der Neuzeit angekommen sind, beginnt sich im 14. Jahrhundert ein seit der griechischen Antike schwelender Streit zuzuspitzen – der so genannte Universalienstreit. Universalien sind, kurz gesagt, Begriffe die Allgemeines aussagen. Als Universalien wurden im Laufe der Diskussionen sehr unterschiedliche gedankliche Prinzipien gekennzeichnet. Neben den Ideen Platons waren dies vor allem Regeln, Tugenden, Kategorien oder Werte.

Wilhelm von Ockham begründete eine neue Denkrichtung in der Philosophie: Die Nominalisten. Entscheidend für das Denken vor Ockham war die Annahme, dass verallgemeinernde Begriffe ante rem also vor ihrer Ausprägung existieren können – Platons Ideenlehre ist das wohl berühmteste Beispiel hierfür. Bei Platon existiert der Mensch, weil es eine Menschheit gibt, zu der er gehören kann.Der Nominalismus (lateinisch nomen = Name) ist der grundsätzlichen Auffassung, dass alle Allgemeinbegriffe gedankliche Abstraktionen sind, die als Bezeichnungen von Menschen gebildet werden. Dagegen ist der Realismus die Position die von der Existenz abstrakter Entitäten ausgeht, auch die Platons, der davon ausging, dass Ideen eine eigenständige Existenz haben.  Da der Nominalismus die historisch neuere Position ist, entstand im Mittelalter auch die Bezeichnung Via moderna, während die entgegengesetzte Position Via antiqua genannt wird.

Aristoteles stellte mit seinen Kategorien ein differenzierteres System zur Einordnung von Begriffen auf und stellte sozusagen Platon auf den Kopf: Bei Aristoteles war das Allgemeine vom Speziellen abhängig – keine Menschheit ohne Mensch, sozusagen. Weiterhin behält Aristoteles die ontologische Prämisse bei, dass die Relation zwischen den Dingen und den Verallgemeinerungen per se ist und das sie abhängig ist.

Die Nominalisten versuchten den Organon des Aristoteles vom Metaphysischen zu lösen, indem sie die ontologische Setzung der Abhängigkeit von Gegenstand und Kategorie lösen. Sie stellen fest, dass das Verallgemeinernde an sich ist und als Namen für das Viele dient. Es gibt also das universale ante rem nur in der göttlichen Schöpfung, nicht aber in der Wissenschaft.

Wilhelm von Ockham gilt als ein herausragender Vertreter eines differenzierteren Nominalismus, der die Frage der Universalien mit zeichentheoretischen Überlegungen verband und insofern auf die moderne Sprachlogik verwies. Realität hatten für Ockham nur Einzeldinge.

Die Allgemeinbegriffe haben keine eigene Existenz, sondern sind nur die Summe der gedachten Dinge. Begriffe entstehen zunächst unabhängig von der gesprochenen und geschriebenen Sprache im Geist (conceptus mentis) und dienen der Bezeichnung (significatio) der extramentalen Dinge. Die Grundlage für Sprachlaute und Schrift ist die Vereinbarung ihrer Bedeutung als Zeichen.

Allgemeinbegriffe werden allein im Geist gebildet und dienen als Zeichen, die auf mehrere Dinge verweisen können. Soweit sich Allgemeinbegriffe nicht auf Dinge beziehen, sind sie Zeichen von Zeichen. Als Zeichen stehen Begriffe für etwas, wobei sich die Bedeutung aus dem Satzzusammenhang ergibt. Je nachdem, ob man sagt, „ein Mensch rennt“, „Mensch ist eine Art“ oder „Mensch ist eine Bezeichnung“, hat das Wort Mensch einen anderen Sinn.

Die zunehmende Abkehr vom Realismus im Lauf des Spätmittelalters bedeutete zugleich eine Emanzipation von Autoritäten, die das Göttliche für sich in Anspruch nehmen. In diesem Sinne förderte der Nominalismus die Naturwissenschaften und den säkularen Staat.

Warum ist dieser Streit so wichtig? Nun, zunächst einmal ist er bis heute nicht abschließend ausgetragen. Zweitens scheint das Verständnis von Kategorien, bzw. deren möglichen Ursachen die Wurzel des menschlichen Denkens zu berühren. Nicht nur die wissenschaftliche Position eines Autors hängt maßgeblich von seiner Auffassung gegenüber dem Absoluten ab sondern auch seine Möglichkeiten, Machtkonzepte zu erarbeiten.

Im Grunde geht es beim Universalienstreit um die Schöpfungsfrage – ist die Welt gott-, oder menschengemacht? Sind Freiheit, Recht und das Gute tatsächlich existent, sind sie gemacht oder gegeben? Wir tendieren zwar heute zur nominalistischen Position und stellen mehr und mehr das Menschengemachte in den Vordergrund – neue Technologien in der Biotechnik erlauben uns Schöpfungsakte von nie da gewesener Qualität. Bei Platon gab es keine Idee für Genmais. Dennoch wollen wir die „natürlichen“ Menschenrechte in die Europäische Verfassung schreiben, womöglich noch mit einem Gottesbezug.

Ich plädiere heftig dafür, endlich die Menschenrechte nicht als gottgegeben, sondern als geschichtlich von Menschen mit Anstrengung entwickelt zu betrachten. Wir haben uns die Würde des Menschen gegeben. Sie ist keinesfalls ante rem vorhanden, wie wir in vielen Krisenregionen ja bedauerlicherweise sehen können.

Wenn Universalien (im Sinne von Menschenrechten, Verfassungswerten etc.) ewig sind, dann bedeutet deren Aufrechterhaltung keine Anstrengung. Das ist falsch. Universalien sind nicht statisch, sie sind Produkt menschlichen Denkens, unseres Geistes Kinder und sie erfordern Pflege, wie Kinder es eben tun.

Nun mag der Leser fragen, wo Gott bei diesem Denkmodell bleibt. Nun, ich glaube fest daran, dass das, was wir als Gott bezeichnen sehr viel größer, komplexer und mächtiger ist, als der Streit um menschliche Werte. Die geistige Entität, die in der Lage ist, ein Universum in der uns heute bekannten Komplexität zu schaffen, mit Milliarden von Sonnensystemen und wahrscheinlich Tausenden von Lebensformen, hat wahrlich kein Problem damit, unsere Wertvorstellungen uns Menschen zu überlassen. Was wir mit unserem Geist machen, ist alleine unsere Sache. Und leider sind wir darin bislang noch nicht wirklich gut gewesen.

Er hat uns den Geist gegeben, die Fähigkeit, zu Denken, Abstraktionen zu verstehen, sogar die unserer eigenen Entstehung. Evolution spricht nicht gegen Gott, im Gegenteil: Er hat sie doch erschaffen! Ich halte es mit den Nominalisten: Es gibt ein(!) ante rem. Heute heißt es Urknall, gestern hieß es Gottesherrschaft, morgen heißt es wieder etwas anderes. Gott ist für mich der Grund allen Seins. Die Ursache.

1.3.1.2 Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham

MarsiliusMarsilius von Padua (geboren ca. 1290 in Padua; gestorben ca. 1342 in München) war Staatstheoretiker, Politiker und Vertreter des scholastischen Aristotelismus. Er studierte die Artes und Medizin in Paris und war dort als Dozent und kurzzeitig als Rektor der Pariser Artistenuniversität tätig. Während seiner Studienzeit betätigte er sich nebenbei als Politiker.

Der Defensor Pacis (Verteidiger des Friedens) ist das bedeutendste Werk des Marsilius von Padua. Er vollendete es 1324 und setzte sich wegen der Ansichten, die er vertrat, der erbitterten Verfolgung der Inquisition aus und floh schließlich nach München. Der Verteidiger des Friedens ist als Gegenposition zu Dantes Monarchia konzipiert und enthält einige sehr fortschrittlich klingende Elemente.

Marsilius fordert im Defensor Pacis die Souveränität des Volkes. Die Gesetze sollen vom Volk direkt selbst beschlossen werden, und nur wenn das aus praktischen Gründen in bestimmten Fällen nicht möglich ist, soll das Volk die Gesetzgeber bestimmen. Doch auch die Vorschläge des so beauftragten Gesetzgebers müssen dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Ausschlaggebend ist bei allen genannten Entscheidungen der Wille der Mehrheit.

Zusätzlich müssen Gesetzesänderungen jedweder Form vom Volk autorisiert und die Gesetze veröffentlicht und so dem Volk zugänglich gemacht werden. Zur Begründung dieser Form der Volkssouveränität führt Marsilius an, dass nur derjenige Gesetze machen soll, der diese Aufgabe am besten erfüllen kann. Da die Mehrheit des Volkes aber am besten weiß, was für ihr Zusammenleben gut oder schlecht ist, macht sie notwendigerweise auch die besten Gesetze. Außerdem ist die Einhaltung der Gesetze am ehesten wahrscheinlich, wenn sie von Vornherein von der Zustimmung der Mehrheit getragen werden.

Zusätzlich zur legislativen Gewalt kommt dem Volk die Aufgabe zu diejenigen, die ihre Gesetze übertreten, zu bestrafen. Eine Judikative kannte Marsilius alsi noch nicht.

Mit dem „Verteidiger des Friedens“ wendet sich Marsilius radikal gegen den Papst, da seine Macht in keiner Weise durch das Volk legitimiert sei und er daher den Frieden störe.

Der Sicherung des Friedens ist eines von Marsilius’ Hauptthemen. Er führt dafür einige Prämissen an, die uns auch relativ modern vorkommen:

  • die individuelle Bedürfnisbefriedigung sichert den Wohlstand
  • der Staat als Ergebnis des individuellen Nutzendenkens
  • die Trennung von Kirche und Staat
  • die (unvollständige) Gewaltenteilung.

Allerdings behält er die Ständegesellschaft bei, bei der die Stände mit unterschiedlichem Gewicht an der Regierungsbildung teilnehmen. Jedoch das Prinzip, dass das Volk mit Mehrheit eine Gesetzgebung wählt, die wiederum eine Regierung wählt, die wiederum an Gesetze gebunden ist und diese ausführt, ist Grundlage unseres heutigen Staatssystems.

Genauso wie das von Marsilius entwickelte Rechtsverständnis: Das Recht ist menschengemacht, das Ergebnis politischer Entscheidungen, es erlangt Gültigkeit durch Schriftform, also positiv. Marsilius ist also Begründer des Rechtspositivismus. Der Staat hat das Monopol auf Rechtsetzung (und nicht etwa die Kirche, wie damals üblich!) und Sanktionierung von Rechtsverstößen.

Wie fortschrittlich die Gedanken des Marsilius und seines Freundes Wilhelm von Ockham waren, zeigt sich in der so genannten Konzilbewegung – Sie arbeiteten eine demokratische Methode zur Wahl von kirchlichen Konzilien aus, die dann mit Mehrheit über Glaubensfragen entscheiden sollten. Das hat die katholische Kirche bis heute nicht geschafft.

Auf dem Gebiet der Weltpolitik war Marsilius nicht so weitsichtig wie Dante: Er beließ es beim Konzept der Nationalstaaten, welches sich auch tragischerweise durchsetzen sollte.

Zusammenfassend bietet die Zeit des großen Schismas also des Kampfes zwischen der weltlichen Macht des Kaisertums und der kirchlichen Macht des Papstes im 14. und 15. Jahrhundert den Denkern die Möglichkeit, sich grundlegende Fragen zu stellen und die Fundamente des Religionsstaates anzugreifen. So schreibt zum Beispiel Wilhelm von Ockham über die, durchaus heute noch aktuelle Frage, ob denn ein Mensch überhaupt das Göttliche auf Erden repräsentieren könne, oder die etwas veraltete Frage, ob weltliche Macht denn göttlich legitimiert werden könne.

Wilhelm von Ockham hat eine bis in die heutige Zeit gültige Setzung in der Logik hervorgebracht, die auch in der modernen Wissenschaftstheorie und in der Datenmodellierung eine Rolle spielt: Sie nennt sich Ockhams Rasiermesser. Der Satz lautet: Entitäten sollen nicht unnötig vermehrt werden. Er findet sich so zwar nicht in Ockhams Schriften, dort aber steht er ungefähr so: „Es ist unnütz, etwas mit mehr zu tun, was auch mit weniger getan werden kann“. Ein Mathematiklehrer von mir, der übrigens in der Euklidik eine Kapazität war, hat es einmal so formuliert: „Der Blöde arbeitet viel, der Gescheite schafft’s auch mit weniger. Wie dem auch sei, wir sehen, dass das moderne Kosten-Nutzen-Kalkül auch den Herren am Beginne der Neuzeit durchaus nicht fremd war.

Das Ockhamsche Sparsamkeitsprinzip in der Wissenschaft fordert, dass man in (wissenschaftlichen) Hypothesen nicht mehr Annahmen einführt, als tatsächlich benötigt werden, um einen bestimmten Sachverhalt zu beschreiben und empirisch nachprüfbare Voraussagen zu treffen. Hypothesen mit wenigen Annahmen sind eben einfacher zu falsifizieren als komplexe Hypothesen. Der Zusatz „Rasiermesser“ ist als Metapher zu verstehen: Die einfachste Erklärung ist vorzuziehen, alle anderen Theorien werden wie mit einem Rasiermesser wegrasiert.

Ockhams Rasiermesser ist heute ein Grundprinzip der wissenschaftlichen Methodik. Ein naher Verwandter ist das KISS-Prinzip, welches weder etwas mit Rockmusik, noch mit romantischen Beziehungen zu tun hat, es lautet: Keep it simple, stupid. ((Das KISS-Prinzip ist auch im Bereich der Informatik zu finden, wird aber inzwischen immer häufiger im allgemeinen Zusammenhang mit komplexen Planungsaufgaben und im Marketing verwendet. Dieses Designprinzip beschreibt die möglichst einfache, minimalistische, sowie im Nachhinein leicht verständliche Lösung eines Problems, welche meistens als die optimale Lösung angesehen wird. ))

Wichtig ist Ockhams Rasiermesser in der logischen Deduktion: Die Minimierung von Variablen in Komplexen Systemen trägt entscheidend zur Präzision von Modellberechnungen bei. Überhaupt ist ja unsere These in diesem Buch, dass die größte menschliche Leistung die Abstraktion ist – und Abstraktion ist nichts anderes als das systematische Eliminieren von störenden Variablen aus der komplexen Umwelt, um wesentliche Wirkungszusammenhänge erkennen zu können.

1.3.1.1 Dante

„Ecce deus fortior me; veniens dominabitur mihi“ Siehe ein Gott, stärker denn ich; er kommt und wird über mich herrschen (Vita Nova – Kap.2)

Dante Alighieri, geboren 1265 in Florenz; gestorben 1321 in Ravenna, war italienischer Dichter, Politiker und Philosoph. Berühmt geworden ist er durch die Werke Die Göttliche Komödie (Commedia Divina), Das Neue Leben (Vita nova) und sein politisch-philosophisches Werk Die Monarchie (Monarchia).

Die Monarchie ist eine politische Abhandlung, die die göttliche Bestimmung des römischen Kaisertums zur Weltherrschaft und dessen Unabhängigkeit in weltlichen Dingen von der auf Geistliches zu beschränkenden Herrschaft des Papstes beweisen will. Die Monarchia ist das staatstheoretische Hauptwerk Dantes, das eventuell nach dem Tod Kaiser Heinrichs VII. (ca. 1316) verfasst worden ist. 

Dante verfasste die Monarchia nach aristotelischen Gesichtspunkten und wandte sich mit dem Inhalt gegen den päpstlichen Herrschaftsanspruch. Kernpunkt ist Dantes Ansicht, dass der Kaiser die Weltherrschaft ausüben müsse, damit die göttliche Ordnung verwirklicht werden kann.  Oft als Anachronismus betrachtet, reflektierte das Werk doch die spätmittelalterlichen Vorstellungen von der Allmacht des Imperiums.

Nach dem Vorbild des Aristoteles beschreibt er, dass alle Menschen von Natur aus nach Wissen streben. Dieses Wissen, das wir uns aneignen sollen, wurde uns von den Vorfahren zur Verfügung gestellt. Wir sind durch ihre Arbeit bereichert worden und das gleiche gilt es für uns zu tun. Wir müssen für die Nachwelt arbeiten, sonst versäumt man seine Pflicht. Es nützt aber nichts, altes wiederholt neu aufzuzeichnen, das wäre verschwendete Zeit, sondern man muss neues herausfinden und erforschen. Dante argumentiert also geschichtlich. Genau so wie wir es in diesem Buch tun ;-)

Dante will in seinem Werk die Wahrheit enthüllen und zwar die Wahrheit der zeitlichen, weltlichen Monarchie, denn diese wurde noch zu wenig erforscht. Er meint, dass es nützlich ist, für langfristige Erfolge zu arbeiten, die allerdings kurzfristig keinen Gewinn erzielen. Alles was jenseits der Zeit ist, gehört nicht zur weltlichen Monarchie, z.B. Gott und Seelen gehören zum Jenseits. Daraus ergeben sich folgende Fragen:

• Ist die Monarchie für das Wohl der Welt notwendig?
• Hängt die Autorität des Monarchen unmittelbar von Gott ab?
• Hat das Volk ein Recht dauf das Amt des Monarchen?

Dante geht es um die Erkenntnis, dass es Dinge gibt, die man nicht beeinflussen kann, welche nicht unserer Macht unterliegen, wie z.B. die Mathematik, die Physik und die Methaphysik. Diese Dinge kann man nur beobachten.

Jedoch braucht jeder in seinem eigenen Nutzen die Dinge, die man beeinflussen kann. Aristoteles wirft da die Frage auf: „Wie sollen wir handeln?“ Bei Dante gibt die Bibel als Autorität Antworten auf die Frage, was gut und was schlecht ist.

Grundlegend aber sagt Dante, sei die Tätigkeit alleine das Ziel der menschlichen Gattung. Die Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Ziels ist der Frieden.

Dante beschreibt die Gewährleistung des Friedens durch weltliche Politik anhand der Römer. Er kommt zum Schluss, dass eine Weltregierung die beste Möglichkeit sei, die Konflikte zwischen den Völkern zu überwinden. Diesen Gedanken nehmen wir doch gerne mit! Nach Dante braucht es gemeinsame Normen zur Friedenssicherung. Diese münden letztendlich in einer Weltgesellschaft mit einer Weltregierung, also einer den Staaten übergeordeten Macht die den Frieden sichert.

Dante liefert uns also die Idee eines internationalen Regimes und der Weltgesellschaft. Und das beachtlicherweise im Jahre 1316!

Dann aber zu einem ganz anderen Text:

La Comedia, ca. 1307-1320, dt. Die Göttliche Komödie (eigentlich nur „Die Komödie“ – das Beiwort „göttliche“ = „divina“ hat nach Dantes Tod sein Bewunderer Giovanni Boccaccio eingeführt) ist Dantes bekanntestes Werk. Das Beiwort „göttlich“ bedeutet fantastisch, hervorragend, prächtig, es hängt nicht mit dem Inhalt des Buches zusammen.  

Anknüpfend an das Genre mittelalterlicher Jenseitsvisionen schildert die Komödie in der Ichform eine Reise durch die drei Reiche der jenseitigen Welt: Durch die Hölle (Inferno), die als ein gewaltiger unterirdischer Trichter bis zum Mittelpunkt der kugelförmig vorgestellten Erde reicht und in ihren in neun Höllenkreise unterteilten Strafbezirken der Aufenthaltsort derer ist, die für ihre Sünden zur ewigen Verdammnis verurteilt sind.

Die Reise geht weiter zum Läuterungsberg (Purgatorio, eigentlich „Fegefeuer“), vorgestellt als ein am westlichen Pol der Erde aus dem Ozean aufragender Berg, auf dem die Seelen derer, die für ihre Sünden noch Vergebung erlangen konnten, auf einem spiralförmigen Weg durch sieben Bußbezirke zu dem auf dem Gipfel des Berges gelegenen irdischen Paradies aufsteigen.

Dante erreicht schließlich das Paradies (Paradiso) mit seinen neun Himmelssphären, über denen im Empyreum die Geretteten im Angesicht Gottes die Freuden der ewigen Seligkeit genießen. Geführt wird der Jenseitsbesucher Dante auf dieser Reise von verschiedenen Jenseitsführern: Durch Hölle und Läuterungsberg zunächst von dem antiken Dichter Vergil, ab dem irdischen Paradies durch die Seele seiner verstorbenen Geliebten Beatrice und später dann von einem Heiligen.

Apropos Beatrice: Diese hat es anscheinend wirklich gegeben und wird in Dantes Jugendwerk beschrieben:

Vita nuova entstand zwischen 1292 und 1295 und gibt sich als autobiographische, aus dem „Buch der Erinnerung“ gleichsam abgeschriebene Erzählung von den inneren Wandlungen, die der Erzähler in der Folge seiner ersten kindlichen Begegnung mit der von ihm seither über den Tod hinaus verehrten Beatrice durchlebte. Dante schildert seine Liebe zu Beatrice mit Traumgesichten, Ohnmachten und Bekehrungserlebnissen. Beatrice wir zur engelsähnlichen Gestalt überhöht. Dante verwendet dabei christliche Elemente in Bezug auf seine eigene Biographie an. Später wird uns auch bei Rousseau mit seinen Confessiones eine ähnliche Schrift begegnen.

Der geneigte Leser mag sich wundern, warum ich gerade Dante zum Beginn der Neuzeit anfüge, stellt er doch in weiten Teilen noch das mittelalterliche Denken dar. Das ist richtig. Seine Argumentation ist rein ontologisch, sein Machtverständnis ist monarchistisch. Aber: Es ist keinesfalls so, dass mit dem Beginn der Neuzeit automatisch auch demokratische Elemente eingeführt worden wären. Eher das Gegenteil ist bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert der Fall – als der Absolutismus zu seiner krassesten Ausformung gelangte.

Doch zurück zu Dante: Es gibt gute Gründe, ihn an dieser Stelle zu erwähnen. Erstens liefert er uns eine komplette Beschreibung des Spätmittelalterlichen Denkens, zweitens führt er in narrativer, erzählender Weise das Beschreiben eines Staatswesens ein – auch später wird uns diese Art der Beschreibung wieder begegnen, sei es bei Thomas Hobbes’ Leviathan oder bei Thomas Morus‘ Utopia. Also liefert Dante uns eine neue Kategorie – die literarische Beschreibung eines Staatswesens. Weiterhin sehen wir bei Dante ein Machtkonzept. Schließlich war er aktiver Politiker in Florenz, bishin zu den höchsten Staatsämtern. Da politische Wissenschaft auch immer politische Praxis bedeutet, sehen wir in Dantes Monarchia den Stand der Dinge im 14. Jahrhundert aus der Sicht eines Praktikers.

Dante liefert uns also philosophisch nichts neues, er war zu seiner Zeit auch eher ein Konservativer, etwas rückständiger Denker, aber er liefert uns neue Methoden zur Behandlung des schwierigen Themas Staat.

Wir lernen: Politik ist immer auch politische Praxis – rein theoretische Modelle sind für die Staatsbildung notwendig, aber nicht hinreichend. Das ist Dantes politische Message für unsere Zeit. Seine Literatur ist zeitlos und seine Liebeserklärung an Beatrice Weltklasse.

Quelle für diesen Teil : http://de.wikisource.org/wiki/Monarchia_%28Erstes_Buch%29