Zurück zum Fortschritt

Drei Wochen verändern die Welt

Es ist schon erstaunlich, was in drei Wochen Urlaub so alles geschehen kann. Es dreht sich gerade etwas in Deutschland, wie die causi Steinbach und Sarrazin deutlich zeigen. Ich habe über die „sechste“ Partei schon vor über zwei Jahren(!) geschrieben; http://fdp-bw.de/fdpbwblogs/lochmann/2008/01/29/das-sechs-parteien-system/. Manchmal dauert es eben, bis die Wirklichkeit den Visionär bestätigt.

Es freut mich, dass endlich jemand das brennende Thema Integration anspricht – und es freut mich umso mehr, dass es jemand aus der SPD tut – einer Organisation die man auch noch so politisch korrekt kaum in die rechte Ecke drängen kann. Hätte es einer von uns (FDP) oder gar der CSU getan, wäre die Gutmenschen-Empörungsmaschinerie sofort auf ihn oder sie angesprungen und hätte jede Kritik schonungslos in der Linkspresse zerschreddert. Doch so hat niemand mehr die Möglichkeit, die Probleme des Landes mit den Migranten aus dem türkischen und arabischen Kulturkreis unter den Multi-Kulti-Teppich zu kehren. Und das ist auch gut so.

Sarrazins Steilvorlage

Oh, was hätte ein Jürgen W. Möllemann aus Thilo Sarrazins Steilvorlage für ein herrliches Tor gemacht! Leider gibt es in der heutigen, apathisch depressiven FDP niemanden, der genug Mumpitz hat, dem „Populisten“ Sarrazin zu folgen. Dabei liegen die so dringend benötigten Wählerstimmen geradezu auf der Straße. Man müsste sie einfach nur aufsammeln. Das tut aber, aus lauter political correctness niemand. Und so schwimmen sie dahin, die Prozente. Und die FDP versinkt langsam aber stetig in ihrer selbst verschuldeten Bedeutungslosigkeit. („sapere aude„, „wage zu wissen“, sagte schon Kant. Und forderte die Befreiung der Menschen aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit. Sic!)

Warum, lieber Leser, sollte sich in Deutschland eine andere Entwicklung abspielen als im Rest Europas? Angefangen mit Le Pen in Frankreich, Berlusconi und Lega Nord in Italien, Geerd Wilders in den Niederlanden, Venstre in Dänemark, der FPÖ in Österreich, der SVP in der Schweiz, den Schwedendemokraten jüngst in Schweden oder den „Perussuomalaiset“ in Finnland: Aller Orten formiert sich der bürgerliche Protest in islamkritischen, „populistischen“ Parteien und Bewegungen. Aller Orten werden die Probleme von Islamisierung, Überfremdung, unkontrollierter Zuwanderung und der Kolission mit christlichen Wertvorstellungen in politische Programme überführt – es werden Wahlen gewonnen und es wird, teils auch gegen den Widerstand des linken Establishments, regiert.

Warum also sollte es bei uns anders laufen? Nur weil eine CSU angeblich den „rechten“ Rand verdeckt? Nun, falls es noch keiner bemerkt hat (außer der Wähler, denn die CSU liegt in Bayern bei 38%, sie hatte mal über 60%!) Franz-Josef Strauß ist längst tot – und die „rechte“ CSU gleich mit ihm. Außerdem: Der bürgerliche Protest gegen die Unterjochung durch eine verkehrte politische Korrektheit lässt sich längst nicht mehr mit den althergebrachten Kategorien Links/Rechts beschreiben.

Die Bundes-FDP gibt da leider zurzeit ein miserables Bild ab. Völlig unnötigerweise klammert die Führungsmannschaft sich an einen verdammt schlechten Koalitionsvertrag – sie geht butterweiche Kompromisse ein und spult einen inhaltsleeren Textbaustein nach dem anderen ab. Warum? Hat den niemand im Präsidium genügend Mut, Klartext zu reden? Scheinbar nicht. Oder, schlimmer noch: Hat man aus lauter Machtbewahrungswillen gar das freie Denken eingestellt?

Dabei machen wir in der FDP Baden-Württemberg seit Jahren eine Politik, die die von Thilo Sarrazin angesprochenen Probleme längst vorweg genommen hat. Kopftuchverbot für Lehrerinnen, Gesetze gegen Genitalverstümmelung und gegen Zwangsheirat: Alles Initiativen, die vom Justizministerium und von der FDP in Baden-Württemberg ausgegangen sind und über den Bundesrat teilweise als Bundesgesetz gelandet sind. Also: Wir machen schon längst die Politik, die Sarrazin und Buschkowski einfordern! Leider machen wir sie typisch schwäbisch leise und bescheiden. Zu leise und zu bescheiden, wenn sie mich fragen.

Sollte die FDP also auf den Populismus von Steinbach und Sarrazin eingehen? Eines ist klar: Der bürgerliche Protest wird sich irgendwo sammeln. Wenn nicht bei uns, dann bei anderen, vielleicht weitaus unangenehmeren Zeitgenossen. Es ist eine Illusion zu glauben, das die Radikalisierung bei den Linken und den Grünen (siehe Stuttgart21) im bürgerlichen Lager ohne Reaktion bliebe. Die FDP in Baden-Württemberg täte gut daran, die Sorgen und Ängste der Bevölkerung erst zu nehmen und die Probleme deutlich zu artikulieren.

Dabei, und das ist mir besonders wichtig, dürfen wir niemals auf eine Rassenideologie verfallen. Was Sarrazin mit seinen Gen-Thesen verbreitet ist jenseits aller Wissenschaftlichkeit und entbehrt jeder empirischen Grundlage. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es bei den Problemen der Integration hauptsächlich mit einem Schicht-Problem zu tun haben – und eben nicht mit einem Rasse-Problem. Gegen Dummheit hilft Bildung, gegen religiösen Wahn hilft Aufklärung, gegen Faulheit hilft Anreiz und gegen Kriminalität helfen durchgesetzte Gesetze.

Es hilft niemandem, Menschen qua Herkunft in intellektuell minderwertige Schubladen zu stecken. Das Gegenteil ist der Fall: Schon oft in der Geschichte waren es die Zugewanderten, die Gesellschaften zu Neuem geführt haben – egal ob es die Hugenotten in Preußen oder die Deutschen in den USA waren.

Wir haben in Deutschland ein riesiges intellektuelles Potenzial, welches wir mit unserem mittelmäßigen, anreizarmen Bildungssystem konsequent vernachlässigen. Daraus entstehen die Probleme der Einwanderer – sie werden schlicht vom Staat vergessen – und nicht aus ihrem, ohnehin im Laufe der Menschheitsgeschichte mehrfach durcheinander gewirbelten Genpool. Oder wie definieren Sie bitte „deutsch“? Alemannisch? Preußisch? Gotisch? Fränkisch? Schwäbisch? Sehen sie? Das ist sinnlos per se.

Die USA machen es (wieder einmal) vor: Es entsteht dort der „globale“ Mensch, der offen und gleichberechtigt seine „Ethnicity“ neben seine Staatszugehörigkeit („Nationality“) stellt. Es ist in den USA völlig normal, dass man auf Formularen nach „Rasse“ oder „Ethnie“ gefragt wird. Niemand regt sich darüber auf, denn alle sind ja vor dem Gesetz gleich! Diese Einstellung sollten wir adoptieren: Konsequentes Anwenden der modernen deutschen Staatsbürgerschaft – und gleichzeitig deren Stellung ÜBER der Zugehörigkeit zur jeweiligen ethnischen Gruppe (die man dann ja durchaus mit Stolz repräsentieren kann – ich stehe zum Beispiel offen zu meiner Zugehörigkeit zur Nordischen Ethnie und bin stolz darauf – ich mag meine skandinavischen Mitmenschen und fühle mit ihnen eine undefinierbare Zusammengehörigkeit, die ich mir auch nicht verbieten lasse).

Vielleicht ließe sich das Problem mit der Einführung einer Europäischen Staatsbürgerschaft lösen – bei der dann die Ethnie mit berücksichtigt würde – so wäre ich also ein Europäer deutsch/finnischer oder von mir aus auch nordischer Herkunft. Warum denn nicht.

Auf die Problematik der Religionen will ich an dieser Stelle nicht mehr eingehen – dazu finden Sie genügend Beiträge im Blog – die vom Stern zensierten kann ich auf Wunsch auch versenden. Nur so viel: Wer unsere Verfassung nicht achtet, muss mit Konsequenzen rechnen. Siehe dazu auch Art. 20 Abs. 4 GG (Widerstandsrecht). Wer Christen und Atheisten als „Ungläubige“ diffamiert und zu deren Ermordung aufruft, begeht Volksverhetzung und muss bestraft werden – wer die Würde seiner Frauen und Töchter verletzt, muss selbst dafür büßen. Wer in Europa leben will und dabei europäische, säkulare, der liberalen Aufklärung entsprungene Werte nicht achtet, der muss entweder umdenken. Oder eben gehen.

Es ist unser Land, Deutschland. Es ist unser Kontinent, Europa. Wir, das Volk sind der alleinige Souverän dieses Erdteils – über uns steht nichts und niemand – kein König, kein Papst und kein Gott. Wir haben die Menschenrechte erfunden und in Gesetze gegossen und wir werden sie niemals wieder aufgeben.

Mehr noch: Wir müssen sie aktiv in die Welt tragen. Nirgends gibt es eine Kategorie von normativen Sätzen, die den Menschen mehr Freiheit, Wohlstand und Sicherheit vor jeglicher Willkür bieten. Niemand soll mir erzählen, wir wären „kultur-relativ“: Wir im Westen hatten Recht, haben Recht und müssen unser Recht auch weltweit durchsetzen. Alles andere, meine werten Damen und Herren, führt entweder ins Chaos (siehe Afrika), in die Diktatur (siehe China) oder in den religiösen Wahnsinn (siehe Iran). Wir brauchen eine echte normative Grundlage für alle Menschen auf diesem Planeten. Und da haben wir bei weitem das beste Angebot. Doch zu diesem Thema später an anderer Stelle mehr.

Die FDP muss zurück zu ihren Wurzeln

Doch zurück zur FDP. Ich bin gespannt, in welche Richtung sich die Partei entwickelt. Und ja, ich werde bei der FDP bleiben, auch wenn sich eine „Sarrazin-Bewegung“ etablieren sollte. Denn: Die FDP steht in einer über 150jährigen Tradition der Aufklärung, der Säkularisierung, der Menschenrechte und der Friedenspolitik. Ein Thema, wie wichtig es immer auch sei, reicht nicht, um meine politische Überzeugung zu ändern.

Die FDP muss sich jedoch entscheiden, in welche Richtung sie marschiert. Geht sie den Weg der Libertären (siehe Schäffler und Co.) und fordert weiter (gegen allen gesunden Menschenverstand) freie Märkte und Deregulierung, wo diese doch gerade eben grandios gescheitert sind – wird sie richtigerweise aus den Parlamenten hinaus gewählt werden und zur marktradikalen Splittergruppe degradieren. Es gibt in Deutschland keine 25% für eine marktradikale Partei, es gibt dafür 3%, höchstens. Das muss die FDP wissen, wenn sie ihr Grundsatzprogramm neu schreibt – sie hat es selbst in der Hand.

Ich stelle mir eine Umkehr der FDP vor – zurück zur Partei Hans-Dietrich Genschers, Karl-Hermann Flachs und letztendlich Friedrich Naumanns. Wir sollten uns auf unsere Tradition besinnen, zurückkehren zu einer „Fortschrittspartei“ anstelle einer „Marktpartei“. Wir haben, in der Mitte des politischen Spektrums, die einzigartige Möglichkeit, das BESTE aus den beiden diametralen Systemwelten zu verbinden – Marktmechanismen UND sinnvolle Regulierung, Freiheit des Einzelnen UND staatliches Wohlfahrtsdenken. Das sind eben keine logischen Widersprüche, meine Herrn Schäffler und Knapp. Man muss nur groß genug denken können.

Ich stelle mir eine FDP vor, die mit der intellektuellen Leistungskraft ihrer Mitgliederschaft die Themen der Zeit aufnimmt und aus den Sorgen, Ängsten und Bedrohungen der Gegenwart politische Programme formuliert, die den Wohlstand, die Freiheit und die Sicherheit der Menschen in Europa sichern.

Ich stelle mir eine FDP vor, die die liberale Sache über den Amtsträger stellt, die Rotationsprinzipien und Instrumente der Machtkontrolle auch bei sich selbst entwickelt, einführt und durchsetzt.

Ich stelle mir eine Partei des menschlichen und technologischen Fortschritts fest, ohne ideologische Scheuklappen und ohne Denkverbote.

Ich stelle mir eine liberale Partei fest, die die universell gültigen Menschenrechte im digitalen Zeitalter neu definiert und deren Unverletzlichkeit auch durchsetzen will.

Ich stelle mir eine Partei vor, deren Führung das Beste aus ihrer Mitgliederschaft verkörpert, intellektuellen Anspruch, Tatendrang, Selbstlosigkeit, Erfolgswillen und die immerwährende Bereitschaft, dem Ganzen dienen zu wollen.

Ich stelle mir eine Gemeinschaft von frei denkenden Individuen vor, die sich sammeln um diese Welt ein Stück besser zu machen – nicht für sich selbst, sondern für die anderen, immer im Wissen darum, dass das getane Gute mehrfach auf einen zurückfällt.

Sie können mich einen Träumer nennen, einen Spinner, einen intellektuellen Wahnsinnigen. Gerne. Schon immer waren es die Verrückten, die die Welt vorwärts bewegt haben und die Einfachen, die sie dabei aufrecht gehalten haben. Beide muss es geben. Sonst herrschen Stillstand und Resignation. Und das ist mit das Letzte, was Deutschland jetzt braucht.

1 Anmerkung zu “Zurück zum Fortschritt

  1. paul

    was genau ist denn „der Fortschritt“ den „der Markt“ nicht hervorbringen könnte?

    Ich habe immer etwas Sorge, wenn man aufhört zu „rechnen“.
    Ohne „Rechnen“ gibt es keine Wissenschaft, keinen Markt und keinen Fortschritt.

    Es könnte sogar einen Rückschritt geben,
    ist alles schon da gewesen.

    Wie wärs denn mit einer Partei der Ehrlichkeit,
    in einem Land, das einen gewissen Kant hervorgebracht hat :-)

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