Willkommen im Denunziantenstaat, Teil 3

Es gibt keinen größeren Fehler als haben wollen.
(Laotse, Tao te king)

Wir Deutschen waren schon immer gut im Denunzieren. Spätestens seit den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts war allen die Gemütslage der Nation klar: Nicht ein Volk von Mitläufern hat die Nazis an die Macht gebracht – ein Volk von Mit-Tätern und Mit-Wissern war es, welches in Scharen seine Nachbarn an die Gestapo verraten hat; aus Neid, aus Missgunst, aus Konkurrenzdenken und aus schlichter Boshaftigkeit.

Auch die Bürger der DDR standen dieser urdeutschen „Tugend“ in nichts nach. Nicht nur in Einzelfällen wurde der Nächste bespitzelt – die Zahl der „inoffiziellen“ Mitarbeiter der Stasi bewegte sich in schwindelerregenden Millionenzahlen. Das Ausspionieren seiner Nachbarn war wahrer Volkssport in der DDR. Es scheint auch nichts geschadet zu haben, dass dabei unschuldige Menschen eingesperrt, gefoltert und ermordet wurden.

Und nun sind wir im dritten Teil des Denunziantenstaats angekommen. Aus allen Ecken tauchen plötzlich Daten-CDs mit Daten von vermeintlichen Steuerhinterziehern auf. Und der Staat, allen voran die „Volksparteien“ CDU und SPD, stehen jederzeit bereit, unsere Steuergelder zum Kauf dieser geklauten Hehlerware auszugeben.

Wie die Gier die Banken und Börsen regiert hat, regiert die Gier jetzt die Politik. Gab es da nicht noch ein paar andere Konzepte irgendwo: Gewaltenteilung? Rechtsstaat? Unschuldsvermutung? Verhältnismäßigkeit? Alles vergessen, wenn der schnelle Erfolg winkt – der Zweck heiligt scheinbar alle Mittel. Und diese Leute sollen das globale  Finanzwesen kontrollieren? Hoffentlich macht ein Gericht diesem Niedertrampeln von Staatsprinzipien ganz schnell ein Ende. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die unabhängige Justiz die Übergehung ihrer selbst einfach so hinnimmt.

Weil der Liberalismus erkannt hat, daß der Mensch nicht alles weiß und auch nicht alles und jedes erkennbar und planbar ist, widerspricht er mit aller Kraft der Auffassung, daß der Zweck die Mittel heilige. Für den Liberalen lehrt die Erfahrung, daß auch beim edelsten Zweck bei Anwendung verwerflicher Mittel eine Verselbständigung dieser Mittel eintritt, die den Zweck am Ende erschlägt, überwuchert oder vergessen macht. Die Angemessenheit der Mittel für jede Zweckbestimmung ist daher eine Grundforderung des Liberalismus. Sie ist das Kernstück liberaler Ethik. (Karl-Hermann Flach)

Was kommt sonst als nächstes? Gibt es eine Prämie, wenn man seinen schwarzarbeitenden Nachbarn verpfeift? Zahlt Schäuble für die CD, auf der IPs mit Tauschbörsennutzern stehen? Gibt es Kohle vom Staat, wenn ich einen Alkoholsünder anzeige, der besoffen Auto fährt? Ich sehe sie schon an den Fenstern, meine „lieben“ Nachbarn, scharf auf die Denunziantenprämie, immer bereit allen und jeden anzuschwärzen, der auch nur einen Hauch anders denkt als sie selbst.

Der Staat will die Bürger dazu ermuntern, Steuersünder anonym im Netz anzuschwärzen. Das wäre der Weg in den Abgrund, warnt Deutschlands ranghöchster Datenschützer.

http://www.focus.de/finanzen/steuern/steuern-wenn-der-nachbar-fuer-den-fiskus-spitzelt_aid_313661.html

Der deutsche Staat, allen voran Wolfgang Schäuble, hat einen gravierenden Fehler gemacht. Ein Fass ohne Boden wurde geöffnet und der urdeutsche Instinkt des Denunziantentums wurde wieder geweckt. Schon zwei Mal waren wir in den letzten hundert Jahren einem totalitären System, welches vom unermüdlichen Denunziantentum seiner Bevölkerung gelebt hat. Und nichts, aber auch gar nichts, haben wir daraus gelernt.

Denn was tun denn diejenigen, die jetzt vom deutschen Fiskus bedrängt werden? Brav ihre Steuern nachzahlen und dann kleinlaut schweigen? Falsch gedacht. Jeder derer, der einigermaßen klar denken kann, wird sein komplettes Vermögen in Deutschland aufgeben und ins Ausland transferieren. Schließlich wird keiner mit Geld gezwungen, hier zu leben. So wird diese vermeintlich sinnvolle Aktion eine weitere Kapitalflucht aus diesem Land auslösen.

Die Politik hat scheinbar nicht kapiert, wie Kapitalismus funktioniert. Warum, meinen Sie, haben die USA mit Delaware die weltgrößte Steueroase im eigenen Land? Weil man so das scheue Kapital wenigstens im eigenen Land behält! Wir haben nicht zu viele Reiche in diesem Land – wir haben zu wenige. Demnächst wieder einige weniger. Und wenn alles gleich verteilt wird, werden nie alle gleich reich, es werden immer alle gleich arm. Dass man nach vierzig Jahren Kommunismus das immer noch nicht verstanden hat, bleibt mir ein Rätsel.

Nicht, dass ich Steuerhinterziehung gutheiße. Aber der deutsche Staat ist mit seiner idiotischen Steuerpolitik ein gutes Stück selbst daran schuld, wenn sich das Kapital andere Wege sucht. Die Bekämpfung von Schwarzgeld ist zweifellos wichtig. Aber: Man hätte es auch richtig machen können – hinter den Kulissen, in Zusammenarbeit mit den Schweizer Behörden. Und nicht als Marktschreier.

Nicht verstanden ist der Grundantrieb einer erfolgreichen Wirtschaft: Unternehmertum, Risikofreunde, Leidenschaft und Fleiß. Das alles wird in Deutschland systematisch bestraft. Arbeitsplätze fallen nicht vom Himmel – und, liebe CDU, sie werden auch nicht von der Politik geschaffen. Das ist die Krankheit des Über-Egos der politischen Kaste. Sie meint alles und jeden beherrschen zu können. Dabei ist der Unternehmer derjenige, welcher die Leute anstellt. Und nicht der Staat.

Rette sich, wer kann. Die Schweizer, Österreicher und Luxemburger wird’s freuen. Denn sie bekommen viele neue, wohlhabende Bürger. Bei uns bleibt dann das übrig, was nicht gehen kann, oder was keiner haben will. Die dumme, schlecht gebildete und arme Masse. Schon jetzt sind wir beim BIP in der OECD unteres Mittelfeld, mit fallender Tendenz. (Platz 22 in 2008, kaufkraftbereinigt pro Kopf Beim Human Development Index ebenfalls nur Platz 22)

Selbst schuld, sag ich da.

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