Wie die Linke um das Wort „Freiheit“ ringt

Im online-Magazin Telepolis sinniert Rüdiger Suchsland über das verloren gegangene Freiheitskämpfer-Pathos der organisierten Linken. Nicht nur, dass er die FDP schlecht kennt, sein Artikel beschreibt geradezu exemplarisch den verzweifelten Versuch der Sozialdemokratie, eine Freiheitskonzeption wiederzufinden. Die Linke, gerade die den einzelnen unterdrückende staatsgläubige Kollektivistenschar, sehnt sich plötzlich nach Freiheit? Ein Vorhaben, welches einer gewissen Komik nicht entbehrt. Schließlich haben die Linken 40 Jahre lang Millionen Menschen eingesperrt, gequält und sie systematisch ihrer Freiheit beraubt.

…Dabei wäre es möglich, dem Neoliberalismus einen anderen, klareren Freiheitsbegriff entgegen zu stellen. Indem man seine eigenen Widersprüche aufzeigt. Der wichtigste: Der Neoliberalismus wirft einige der grundlegendsten Güter des Liberalismus über Bord: Er reduziert den Individualismus durch die Macht großer Konzerne. Sie dürfen die Freiheit und den Eigensinn des Einzelnen einschränken, seine Bürgerreichte unterlaufen. Weite Kreise der Bevölkerung und der schwarzgelben Wählerschaft teilen das Unbehagen an der Konzernmacht und der Dominanz von Markt und Finanzsektor über die individuelle Freiheit.

Das ist schlichtweg falsch. Der größte Feind des freien Marktes ist bekanntermaßen der (oft staatseigene) Monopolist. Der wahre Liberale setzt auf Wettbewerb im Markt. Aber fairen Wettbewerb wollte die Linke nie! Der organisierte Liberalismus steht für klare Regeln auf freien Märkten – er will genau das Gegenteil des oben Gesagten. Der Liberalismus ist ein Konzept der kleinteiligen polypolistischen Konkurrenz und des Schutzes aller Rechte der Marktteilnehmer.

Noch wichtiger: Der Liberalismus war immer skeptisch und a-religiös, unempfänglich für jede Art von Glauben. Das entfremdete ihn früh von der Arbeiterbewegung. Doch der Neoliberalismus hat aus dem Markt eine Religion gemacht, der er mit Inbrunst anhängt. Liberale Skepsis und markradikale Dogmen schließen einander aus. Hier könnte ein sozialdemokratischer Gegenentwurf ansetzen. Er müsste allerdings ein sozialliberaler, linkslibertärer sein. Das wird nicht allen behagen.

Linkslibertär? Phhh….das tönt ja wie Adorno. Was wäre das denn? Kommunistische Anarchie? Nein, danke. Den menschlichen Feldversuch wollte ich keinem Land zumuten. Denn heraus käme wohl eine Mischung aus Kuba und Albanien. Nochmal: Ein Libertärer Markt ohne Regeln ist NICHT der Markt des Liberalen. Er war es nie und wird es nie sein. So säkular, wie unsere Gesellschaft heute glücklicherweise ist, war sie noch nie. Dennoch: Die Trennung von (allen!) Kirche(n) und Staat ist und bleibt liberale Urforderung.

Es geht darum, die Freiheit jenseits von Westerwelle zu definieren. Freiheit als gesellschaftliche, nicht nur wirtschaftliche. Freiheit von Unterdrückung und Folter, Ausbeutung und Armut. Freiheit zur Selbstverwirklichung, Bildung, Genuß, Lebenssinn. Nicht nur „mehr wollen“ wie jetzt auf den blaugelben Wahlplakaten steht, sondern anderes wollen: Vielfalt. Materialismus. Absage an traditionelle „Werte“ wie Nation, Religion, Anstand, Disziplin. Optimismus. Hedonismus. Fortschritt – als Ziel, nicht Glaube. Das wären Stichworte.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30699/1.html

Entschuldigung, aber was hat die liberale Demokratie denn in Deutschland erreicht? Werden wir etwa gefoltert? Unterdrückt? Ausgebeutet? Sind wir ein armes Land? Haben wir etwa keine Freiheit zur Selbstverwirklichung, zum Genuß, zum Hedonismus, zum Lebenssinn? JA, WAS HINDERT SIE DENN? Noch nie hat es in der europäischen Geschichte so viel Freiheit, Sicherheit und Entfaltungsmöglichkeiten für seine Bürger gegeben wie heute.

Der Autor will in Wirklichkeit keine Freiheit, er will die Anarchie. Und gerade darin bestand und besteht der Unterschied eines rechtstaatlich organisierten Liberalismus zu allen anderen „Freiheitsbewegungen“, die immer, ich betone IMMER, in Diktaturen, Ausbeutung und Terror einer links-elitären Minderheit über die Mehrheit enden. Da geht es Kuba oder Venezuela nicht anders als der Sowjetunion.

Das Dilemma der Linken ist die schlichte normative Kraft des Faktischen: Nirgendwo haben sich ihre diffusen Gesellschafts-Utopien verwirklichen lassen. Das Experiment ist gescheitert. Und so ist den Linken ein Stück ihrer Identifikation verloren gegangen, die sich heute auch bei attac oder Greenpeace nicht mehr finden lassen. Die Grün-zu-Links-Beatmung funktioniert mit dem gesellschaftlichen Ankommen der 79er nicht mehr. Alternde Gesellschaften sind nunmal wenig revolutionsfreudig. Vielmehr sind sie anfällig für Überregulierung und Paralyse.

Da lauert die wahre Gefahr, es gilt jetzt, errungene Freiheiten gegen bequem gewordene Mehrheiten zu verteidigen und nicht, einen von vorneherein zum Scheitern verurteilten Pseudo-Freiheits-Mythos zu erfinden.

Hätte sich der Autor die Mühe gemacht, und sich mit dem Programm der FDP beschäftigt, dann wüsste er, dass wir genau für die von ihm geforderte gesellschaftliche Freiheit stehen! Aber was er, und viele Linke mit ihm, an der FDP nicht mögen, ist, dass wir eben neben die Freiheit auch Werte und Verantwortung stellen.

Der organisierte Liberalismus hat in den 300 Jahren seiner Entwicklung so vieles über die Freiheit und deren Gefährdungen gelernt – ja, er hat ganze Staaten und Verfassungen geschaffen, die sämtliche linken Utopien überdauert haben, dass es an ihm ist, sich als das Konzept zu präsentieren, welches die Zukunft am besten bedienen kann.

Wir haben gelernt, Freiheit zu schützen und gleichzeitig Anarchie und Chaos zu verhindern. Das können linke Utopisten bis heute nicht.

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