Wenn das Volk dann wirklich spricht

Sigmar Gabriel (SPD) will Volksentscheide auch in Deutschland.

Der neue SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich in der WELT für bundesweite Volksabstimmungen ausgesprochen. Volksabstimmungen seien gut für die moderne Demokratie, sagte Gabriel am Wochenende: „Ich jedenfalls habe keine Angst vor dem Volk.“ Er traue den Deutschen zu, im besten Sinne der Aufklärung nach einer langen Diskussion zu guten Entscheidungen zu kommen. http://bit.ly/6Jlp6K

Wetten, dass die SPD nach der Schweizer Minarett-Entscheidung in Über-Lichtgeschwindigkeit zurückrudert? Weil es eben im Volk manchmal auch Meinungen gibt, die so gar nicht in das pseudo-aufgeklärte Bild der selbstauferlegten linken political correctness passen. Hätten wir in Deutschland einen Volksentscheid zur Todesstrafe, müssten wir sie wieder einführen. Wir hätten ein allgemeines Tempolimit auf unseren Autobahnen, eine ungerechte Vermögenssteuer und vieles andere mehr. Das müsste Herr Gabriel eigentlich auch wissen.

Die Schweizer haben mit ihrer einzigartigen Möglichkeit, ihre Stimme zu gebrauchen, ein klares Signal gesetzt. Nicht gegen den Islam, wie die aufgeschreckte Links-Presse der Republik jetzt krampfhaft behauptet – sondern einzig und allein gegen die nicht mehr zu ertragende Verniedlichung ernster gesellschaftlicher Probleme bei der Integration von Zuwanderern aus der islamischen Welt. Dasselbe Problem und dieselbe Verniedlichung haben wir übrigens in Deutschland auch.

Doch wenn das Volk mal wirklich spricht, wird die Politik schnell verlegen. Plötzlich gibt es tausend Gründe, warum das Volk so oder so gestimmt hat und tausend Gründe, warum die Politik Volkes Willen nun doch nicht umsetzen kann. Das ist die Doppelmoral der heutigen „Demo“kratie – die eben keine Volksherrschaft im Wortsinne ist. (Und es übrigens noch nie war.) In jeder Sonntagsrede feiern wir die Demokratie. Wenn es aber darum geht, diese auch in unbequemen Situationen zu leben – dann sind wir ganz schnell wieder der Obrigkeitsstaat von vor-vorgestern.

Der Reflex, der in der Schweiz an den Tag gekommen ist, ist der der kulturellen Selbstverteidigung. Minderheiten werden in Zeiten der politischen Korrektheit überproportional begünstigt, gefördert und ihre Fehlleistungen werden seitens des politischen Systems verharmlost. Das führt zum Widerwillen im Volk – zu Recht, wie ich meine.

Die Schweiz ist ein schönes, strukturkonservatives Land mit einer eher zurückhaltenden, fleißigen, ehrbaren und mit einem großen Gerechtigkeitssinn ausgestatteten Bevölkerung – die es von jeher gewohnt ist, ihre Kultur gegen ihre mächtigeren Nachbarn verteidigen zu müssen. Fremd sein ist in der Schweiz nicht einfach – das kann jeder, auch jeder Deutsche, bestätigen, der längere Zeit in dem Land verbracht hat. (Meine Mutter lebte sechs Jahre lang dort und ich war längere Zeiten zu Gast im Land). Dennoch sind die Schweizer alles andere als rassistisch – im Gegenteil – ich habe sie als offen, warmherzig und sehr tolerant gegenüber Ausländern erlebt. Aber: Sie beharren eben auf die strikte Einhaltung der Sitten und Regeln ihrer Kultur. Man kann das Eigensinn nennen. Oder nationalen Stolz. Offenbar etwas, womit wir Deutschen immer noch ein Problem haben.

Die deutsche Politik sollte das Signal aus Bern hören und ihre Haltung zur Problematik in Sachen Islam-Integration überdenken. Auch wir haben ein Problem, welches wir nicht weiter wegdiskutieren können. Ich meine, wir sollten die gemäßigten und säkularen Kräfte unserer islamischen Minderheit aktiv fördern – niemand darf aufgrund einer, oftmals nicht selbst gewählten, Religionszugehörigkeit diskriminiert werden. Aber: Wir sollten auch klar die Grenzen der Toleranz aufzeigen – wer unser Land nicht respektiert und unsere Kultur nicht anerkennen will, wer gar unser Gesellschaftsmodell abschaffen will oder Gewalt anwendet – der hat keinen Anspruch auf den Schutz seiner Position.

Aufklärung ist das Gebot der Stunde. Aufklärung der Minderheit, natürlich. Die peinlichen Versuche der Politik, das eigene Volk zur Islam-Toleranz belehren zu wollen, sind nutzlos. Wer hier bei uns lebt, muss sich uns anpassen und nicht umgekehrt. Was man von uns verlangen kann ist Toleranz. Aber keine Anbiederung. Außerdem: Die besten Botschafter eines modernen Islam sind die tausenden von bestens integrierten islamischen Menschen in diesem Land, von denen nicht wenige zu meinem Freundeskreis gehören. Die eine Freundin meiner Tochter stammt aus Bosnien, eine andere ist Kurdin. Beide sprechen bestes Deutsch, die eine besucht das Gymnasium, die andere eine Realschule. Es geht doch! Wer sich bei uns nicht integriert, der will nicht integriert werden, bekommt die Chance nicht oder wird unterdrückt.

Ich persönlich bin gegen das Tragen der Burka in der Öffentlichkeit – wir haben uns in Jahrhunderten unter großen Schmerzen eine freie Gesellschaft mit freien Mitgliedern beider Geschlechter erarbeitet und niemand sollte sich verstecken müssen – auch aus religiösen Gründen nicht. Wir müssen unsere Freiheitswerte wieder mehr in den Vordergrund der Debatte stellen. Wir dürfen keine Parallelgesellschaften dulden, die die Universalität der Menschenrechte infrage stellen.

Wir müssen unsere Haltung bezüglich der Ausübung von Religionen dort überdenken, wo die Ausübung von Religion die Würde des Einzelnen verletzt oder wo sie die Freiheit des Einzelnen unterdrückt oder wo sie die Gesellschaft als ganzes bedroht. (Deshalb gingen von der FDP-BW z.B. Initiativen gegen die Genitalverstümmelung oder die Zwangsheirat aus)

Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes konnten nicht ahnen, dass im Schutze der Religionsfreiheit  irgendwann einmal radikale Politik gegen diesen Staat und dessen freiheitliche Gesellschaftsordnung gemacht werden könnte.

Die Freiheitsrechte des Einzelnen sind unsere Verfassungsgrundlage. Wo sie verletzt werden, darf der Staat nicht tatenlos zusehen – er muss handeln. Das hat er in der Vergangenheit zu selten getan. Für alle, die hier leben, muss gelten: Der Einzelne ist mehr als die Familie. Ehre definiert sich über die Treue zum Gesetz und die persönliche Freiheit eines JEDEN ist der Vater aller Dinge in diesem Land. Keine Religion steht über der Menschenwürde und keine Religionsfreiheit berechtigt zur Unterdrückung.

Ob eine islamische Gemeinde nun Minarette an ihre Moschee baut oder nicht, ist mir persönlich herzlich egal. Ich finde sie nicht weiter tragisch – im Gegenteil, manche sind architektonisch schön und wertvoll – genau so wie mancher Hindu-Tempel oder Buddha-Schrein auch.

Aber darum ging es auch in der Schweiz nur vordergründig. Es ging darum, der Politik zu sagen, was die Bayern schon immer als ihr Motto haben: Mir sind mir. Und wollen es auch bleiben.

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