Von wegen, nicht bei uns. Meine 15jährige Schwester war zur Tatzeit des Amoklaufs von Winnenden nur hundert Meter entfernt in der Nachbarschule – zu Besuch. Mit viel Glück hat sie von dem Massaker nicht viel mitbekommen. Aber es hätte auch anders kommen können. Ich will gar nicht viel zur Tat selbst sagen – im Fernsehen haben wir falsche Mitleidsbekunder und Psychologie-Propheten genug.
Man hätte es wissen können – nein, wissen müssen, dass sich Erfurt oder Jokela auch hier wiederholen können. Es gehört zum Gesellschaftsbild der anonymen Leistungsgesellschaft, dass gestörte Individuen außerhalb jeder sozialen Kontrolle meinen, sich über alle anderen erheben zu können. Einmal Macht haben, endlich. Einmal Gott spielen. Das ist der Gipfel des Egoismus schlechthin.
Und schon wieder schallen die Verbotsrufe durch die Medienlandschaft – der vermeintliche Schuldige, die Computerspiele, ist längst ausgemacht. Unerheblich, dass jede halbwegs vernünftige Studie keinerlei kausalen Zusammenhang zwischen Spiel und Amokhandlungen zeigt.
Es hilft nur eins, wirklich nur eins: Waffen weg! Es kann nicht sein, dass ein „Sportschütze“ 18 Waffen im Haus hortet, in dem Minderjährige leben. Das ist schlicht unverantwortlich. Deshalb müssen die Waffen weg – von mir aus zum Einlagern bei der nächsten Polizeiwache, wo der Schütze oder Jäger sie dann abholen kann.
Wir werden das Problem der gesellschaftlichen Verwahrlosung nicht lösen können, dazu ist unsere Gesellschaftsordnung falsch angelegt. Solange die falschen, materiellen Wertvorstellungen und Zielorientierungen vorherrschen und Neid und Missgunst das gesellschaftliche miteinander prägen, wird es diese Fälle weiter geben.
Wenn der Verlust an Schmerzempfinden und Einfühlvermögen bei einzelnen zu Massentötungen führen müssen wir alle uns überlegen, wie wir wieder mehr Menschlichkeit in die Gesellschaft bringen.
Es ist kein Zufall, dass die Tötungen an Schulen in den USA, Finnland und Deutschland stattfinden – in den, wie ich denke, wettbewerbsorientiertesten Gesellschaften der Welt. Leistungsdruck, Neidgesellschaft, gepaart mit Ablehnung Hetze durch Film und Spiel, dazu Zugang zu Waffen und fertig ist das explosive Gemisch.
Wir müssen unseren Jugendlichen mehr Liebe geben – und mehr Zeit. Wenn man mit den Jungs mehr geredet hätte, würden viele Menschen heute noch leben.
1. April 2009: Comments closed. Ich will hier keine Waffendiskussion führen. Sorry.