Spiel mit dem Feuer

Zuerst die gute Nachricht: Die FDP steigt in der letzten bundesweiten Umfrage wieder auf 10%. Westerwelles Sozialstaatsdebatte wirkt also. Doch ist dies ein Pyrrhussieg? Natürlich steht auf einem Stimmzettel nicht, aus welcher politischen Ecke eine Stimme kommt. Und natürlich ist jede Stimme gleich viel Wert. Und doch sollte man wissen, wer einen wählt.

Ist die FDP auf dem Weg zur deutschen FPÖ? Populismus statt Programm? Nun, aus Sicht des Wahlkämpfers ist das sicherlich legitim. Schließlich wollen wir Wahlen gewinnen und ein Wahl-Kampf ist ja auch kein Wahl-Spaziergang. Gezählt wird am Wahltag, Prozent ist Prozent, Mandat ist Mandat.

Doch Vorsicht. Denn die FDP tauscht gerade (wieder einmal) ihre Wählerschaft aus. Die gerade erst gewonnenen modernen, gemäßigten „neo-öko“-Liberalen der Mitte wandern in Scharen zu den Grünen, die fulminante Umfrage-Ergebnisse einfahren (in Baden-Württemberg 17%); die Info-Elite wandert zu den Piraten, die mäßigen Konservativen zurück zur Union. Was bleibt, ist die 7%ige liberale Stammwählerschaft und der, nennen wir es mal X-Faktor, die „neue“ Klientel.

Am rechten Rand der deutschen Politik klafft seit Jahren eine Lücke. Seit dem Untergang der Republikaner gibt es keine Partei, die diese Klientel bediente. Diese umfasst in Baden-Württemberg mindestens 15% der Wählerschaft. Dieser Teil der Wählerschaft wird im parlamentarischen System momentan nicht vertreten – und stellt eine Fundgrube an potenziellen Wählerstimmen dar. Auch die CDU in Baden-Württemberg schielt mit Stefan Mappus wieder in diese Richtung. Und sie wird damit auch Erfolg haben.

In dieser Gruppe kommen Westerwelles markige Sätze besonders gut an. Doch, und das erlebe ich auf Veranstaltungen immer wieder, tut sich in dieser Klientel auch so mancher Abgrund auf, in den man lieber nicht blicken wollte. Populismus an sich ist nichts Verwerfliches. Viele europäische Parteien haben damit große Erfolge gefeiert. So die SVP in der Schweiz, die FPÖ in Österreich, die Liberalen um Geert Wilders in den Niederlanden. Man kann damit Wahlen gewinnen und regieren. Und auch Dinge bewegen.

Das alles hatten wir schon mal:

„Der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) wurde 1931 gegründet. Die gesetzlichen Grundlagen dazu wurden mit der Notverordnung vom 5. Juni 1931 im § 139a des Gesetzes für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung geschaffen. Nach Artikel 1 der Ausführungsverordnung vom 3. August 1931 durfte er nur für gemeinnützige zusätzliche Arbeiten eingesetzt werden. Über groß angelegte Programme wurden arbeitslose Jugendliche oder Erwachsene beschäftigt. Der ursprüngliche Gemeinnutzen der Einsätze wich seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten einem überwiegend militärisch definierten Nutzen. 1935 resultierte daraus der Reichsarbeitsdienst (RAD).  http://de.wikipedia.org/wiki/Freiwilliger_Arbeitsdienst

Man muss sich schon die Frage stellen, welche Assoziationen man mit politischen Aussagen weckt. So sprach z.B. Roland Koch (CDU) darlängst von einer „Arbeitspflicht“ für Hartz4-Empfänger.

Doch wenn man diesen Weg geht, den Westerwelle jetzt eingeschlagen hat, dann sollte man auch das Risiko kennen. Diese Wählerschaft nämlich gibt sich mit moderaten Mitteln nicht zufrieden. Sie verlangt immer mehr, immer lauter, immer radikaler. Das sehen wir zurzeit in den USA mit der sog. Tea-Party-Bewegung auch. Wer dann aufhört zu hetzen, wird prompt wieder fallengelassen. Und weg sind all die schönen Prozente.

Mit diesen Menschen ist keine programmatische Politik zu machen. Sie pfeifen auf moralische Überlegungen, grundgesetzliche Würde-Debatten oder intellektuelle Polit-Feinheiten. Für sie gilt, was ihnen, und nur ihnen, gerade jetzt gut tut. Was Westerwelle da jetzt zustimmt, ist der Stammtisch – in all seinen Erscheinungsformen. Gewählt wird, was oder wer gerade gefällt. Heute die FDP und morgen die Linken.

Man kann mit dieser Strategie Wahlen gewinnen, gewiss. Die CSU tut dies in Bayern seit Jahrzehnten. Ich halte sie auch nicht für grundsätzlich falsch. Nur inhaltlich ist sie mehr als bedenklich. Wir erinnern uns alle mit Schaudern an die vorangegangenen Versuche, die FDP in NRW populistisch zu steuern, die immer mit mehr als nur einem „Gschmäckle“ endeten. Einer fiel dabei sogar wortwörtlich aus allen Wolken.

Leider ist in der Partei im Augenblick eine rechtsliberale Strömung in der Mehrheit, der es relativ egal ist, ob sich der den Liberalismus auch inhaltlich weiter entwickelt. „Nach mir die Sintflut“, scheint vielen Amtsträgern näher zu stehen als nachhaltige, langfristige Denkarbeit. Im Gegenteil: Manche programmatische Diskussion ist eher ein Schritt vierzig Jahre zurück. Die FDP wird systematisch reduziert auf eine wirtschaftsliberale, teils libertäre Kapitalisten-Klientelpartei. Das ist schade. Denn die FDP war schon mal weiter im Denken. Eine moderne liberale Partei der Mitte hat in Deutschland ein Potenzial von sage und schreibe 30%. Aber zugegeben: dieses hat eine rechtspopulistische Partei mittlerweile auch.

Auf die Frage der zu niedrigen Löhne der Mittelschicht und einer in zehn Jahren, paradoxerweise unter einer SPD-Regierung(!) um 30% gestiegenen Armutsrate in Deutschland hat heute niemand eine Antwort – genauso wenig auf die Frage mit dem Umgang von sog. „Arbeitsverweigerern“. Was scheinbar niemand bedenkt: kürzt man deren staatliche Leistungen auf null, werden diese Leute kriminell. Das wiederum wird für die Gemeinschaft am Ende noch viel teurer.

Politik für das ganze Volk jedoch kann man nicht mit Politik gegen einige wenige machen. Das ist ein logischer Widerspruch. Das Ganze umfasst eben alle. Die Krux des Populisten ist die ewige Unhaltbarkeit seiner Versprechungen. Das ist immer so. Wenn der Populist dann eine Mehrheit bekommt, driftet er ins Totalitäre. Auch das ist immer so. Und auf das warten nicht wenige in Deutschland.

Populismus gründet auf Charisma. Und Charisma liegt immer in einer Person. Die FDP muss sich entscheiden, ob sie den zuende Weg gehen will. Wenn ja, sehe ich große Chancen zu wachsen, allerdings auf Kosten der Wahrhaftigkeit, der Koalitionsfähigkeit und der inhaltlichen Verlässlichkeit. Wenn nein, bleibt sie ihrer gedanklichen Basis eher treu. Dann allerdings muss sie sich schnellstens Gedanken über ihre zukünftige inhaltliche Ausrichtung machen. Und das wiederum erfordert neues Denken, jenseits der gerade vorherrschenden Wirtschaftsliberalität.

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