Parteitag. Oder: Über die politische Mitte

Drei Tage Bundesparteitag liegen hinter uns. Drei Tage lang haben wir Einblicke in das Funktionieren des deutschen Politikbetriebes bekommen. Mit Westerwelles Worten: Es war ein Arbeitsparteitag. In der Tat. Wenn man es denn durch die in ihrem Tun durchaus eifrige, leider aber in der deutschen Sprache nicht allzu mächtige Security zum Arbeiten endlich geschafft hat. Sicherheit muss sein, sicher. Aber wir müssen unseren Job auch machen können. Denn ohne uns hätten die gar nichts zu bewachen.

Apropos bewachen: Mich beschlich an einigen Stellen ein ungutes Gefühl. Um uns rum brennt die Welt und wir debattieren um die zweite Stelle hinter dem Komma. Schäuble schafft gerade die Bürgerrechte ab, in Gaza putscht der Mob und Israel überlegt sich eine Intervention. Und wir sind gerade bei einer Änderungsantrag zum Leitantrag, nur weil einem Delegierten ein Wort nicht gefällt. Aussprache muss sein, sicher. Aber wir müssen uns nicht wundern, wenn der gemeine Bürger nicht an diesem Politikbetrieb teilnehmen will. Liebe Leut: Macht euren Einfluß in den Fachausschüssen und Arbeitsgruppen geltend, die sind für alle offen, und lasst dem Parteitag die „großen“ Linien. Das kommt draußen auf jeden Fall besser an. Politik kann so spannend sein!

Apropos ankommen: Angekommen ist auch der Ruf der Parteiführung nach Geschlossenheit. Allerdings habe ich prinzipiell ein ungutes Gefühl, wenn ein Vorstand komplett ohne Gegenkanditaten gewählt wird. Es erinnert doch an andere Systeme, in denen sich auf die Art eine ganz andere Clique legitimiert hat. Allerdings habe ich auch keine bessere Lösung parat.

Die „andere“ Truppe hat sich ja an diesem Wochenende zum zweiten Mal zur SED vereinigt. Und wenn wir Pech haben, sitzen die Kommunisten in ein paar Jahren in der Regierung. Denn da wollen sie hin, mit allen Mitteln. Die wollen an die Macht um jeden Preis und würden dafür auch alles tun. Und dabei den Leuten auch alles versprechen. Glauben Sie den Kommunisten kein Wort! Die haben immer schon gelogen und hören damit nicht auf, nur weil sie schon wieder einen anderen Namen tragen.

Apropos Kommunisten: Die Überschrift dieses Beitrages hat zum Thema die politische Mitte. Was ist eigentlich diese Mitte? Westerwelles Ruf nach „keiner Dogmatik“ hat für mich, ganz schwäbisch, a Gschmäckle g’kriegt. Einerseits will man pragmatisch, vernünftig und aus der Mitte regieren, andererseits sitzt man genau auf der dogmatisch immer gleichen Argumentationslinie, die alles und jeden immer und immer wieder auf wirtschaftliche Zusammenhänge reduziert. Das war leider auch im Interview zu sehen.

Wirtschaft ist wichtig, in der Tat. Und es kann auch nichts ausgegeben werden, was nicht vorher erwirtschaftet wurde. Stimmt. Aber es kann auch nicht sein, dass man seitens der FDP-Führung keinerlei Lösungen für die Bereiche entwickelt, in denen der Markt versagt. Beispiel gefällig? Wenn gesunde mittelständische deutsche Unternehmen von private-equity-fonds geplündert werden, wenn tausende Arbeitsplätze und solides technisches Knowhow verloren gehen – und das alles im Namen der Freien Kapitalströme – dann hat der Finanzmarkt in ordnungspolitischer Makrodimension versagt.

Dazu habe ich die Tage eine einfache Regel gefunden: Immer dann, wenn die Freiheitsausübung einiger weniger die Freiheit von vielen bedroht, muss reguliert werden.

Bitte erinnern Sie sich an folgendes: Zwischen den Staaten herrscht Anarchie. Wir haben keine wirklich wirksamen Wettbewerbsregeln auf den internationalen Märkten. Daher ist es ordoliberale Grundaufgabe diese zu schaffen! Doch dazu ist die Partei offensichtlich noch nicht bereit.

Ein weiteres Beispiel ist diese unsägliche Mindestlohndebatte. Wir predigen das Mantra vom Arbeitsplatzverlust, obwohl die empirische Wirklichkeit überall um uns herum etwas anderes zeigt. Das zeugt nicht gerade von politischer Weitsicht. Es ist doch gerade die Chance der politischen Mitte, aus allen politischen Richtungen die besten Ideen zu adaptieren und vernünftige Konzepte daraus zu entwickeln. Nur, wer benimmt sich hier denn dogmatisch? Die FDP scheut zur Zeit alles, was von links kommt, wie der Teufel das Weihwasser. Und das nur weil es von links kommt! Auch die Linke kann (selten) mal Recht haben, werte Kollegen.

Die politische Mitte muss die Freiheit haben, ihr Konzept aus allen politischen Richtungen zu bilden. Sie kann und muss flexibel reagieren können. Und in diesen Tagen ist es nunmal die soziale Grundsicherung, die die Menschen, zu Recht übrigens, beschäftigt. Natürlich sind unsere Konzepte bezüglich Rente, Steuern und Gesundheit richtig. Natürlich müssen wir mehr Eigenleistung fordern und belohnen. Aber für diejenigen, die es aus irgendwelchen Gründen nicht schaffen, für sich adäquat zu sorgen, müssen wir als Gemeinschaft zusammen sorgen. Aber unsere Konzepte sind langfristig. Sie sind analytisch. Und für einen beachtlichen Bevölkerungsanteil intellektuell nicht nachvollziehbar.

Die Menschen wollen klare Fakten. Sie brauchen Symbole. Die Linke wird mit dem Mindestlohn hausieren gehen und viele Besorgte einfangen. Das müssen wir nicht denen überlassen. Die FDP ist und war die Partei der sozialen Marktwirtschaft. Ich betone sozial. Markt braucht Regeln. Wettbewerb braucht Unterstützung. Aber dazu an anderer Stelle mehr.

Und übrigens: Es gibt sehr wohl eine liberale Gerechtigkeitstheorie. John Rawls lässt grüßen. Auch diese Debatte hätte ich erwartet, denn die Kommunisten stehlen neben der Gleichheit auch diesen Begriff.

Apropos Sorgen: Wenn wir 2009 regieren wollen, müssen wir wachsen. Das hat aber keiner so richtig gesagt. Nämlich: Wenn wir wachsen wollen, dann reichen unsere bisherigen Konzepte nicht aus. Zumindest habe ich nicht verstanden, wie wir wachsen sollen. Wir müssen neue Wählerschichten ansprechen. Und das kann nur mit einer programmatischen, pragmatischen Öffnung geschehen. Ich mache mir ernsthafte Sorgen um die bürgerliche Mehrheit in unserem Lande. Die CDU/FDP auf heutigem Stand bringt sie im Bund nicht zusammen. Welche Alternativen hat man denn, wenn man dogmatisch an alten Sätzen und Konstellationen festhält, während der Koalitions“partner“ offen mit den Grünen verkehrt?

Es war ein Arbeitsparteitag, außer am Samstag. Auf dem Baden-Württemberg-Abend mit Maultaschen, Blutwurst, Kartoffelsalat und Spätzle. Die schwäb’sche Küche ist halt die beste der Welt. Es wurde geflirtet, getanzt und munter geredet. Ein netter Abend eben.

Am Sonntag war der Stuttgarter Monsun dann auch endlich zu Ende; die Sonne lachte, und auch mein Gemüt. Bis dann, beim Schlußwort, der Saal plötzlich sehr still wurde. Melancholie machte sich breit. Wie eine Ahnung strömten Westerwelles Worte in den Raum. Wir sehen uns alle wieder in München. Ja. So Gott will.

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