Islamkritik: Spiegel gegen Süddeutsche

UPDATE 23.1.: Der Streit weitet sich aus. In der FAZ kontert hervorragend eine direkt Betroffene, Türkin und selbst Muslima, Necla Kelek: Ihr habt mit Hass gekocht, die Süddeutsche hingegen scheint immer mehr dem Appeasement anheimzufallen: Die radikale Religionskritik des Islam. Und Islamkritiker Henryk M. Broder bekommt eine eigene Fernsehsendung in der ARD, während in den Niederlanden der ex-liberale Abgeordnete Geert Wilders vor Gericht steht.

Immerhin: Die Debatte ist angekommen und spaltet die deutsche „Qualitäts“-Presse. Gleichzeitig hat Großbritannien die Terror-Warnstufe auf die zweithöchste erhöht.

Es tobt (mal wieder) eine Feuilleton-Schlacht im deutschen Blätterwald. Verwundert las auch ich den Artikel „Unsere Hassprediger“ von Thomas Steinfeld in der Süddeutschen und dachte, mein Weltbild wäre nun endgültig verschoben. Da werden die wenigen Tapferen, die in Deutschland in Sachen Islamismus der allgemeinen Political Correctness widerstehen als „Hassprediger“ bezeichnet – Menschen, die ihren Ruf, ihre Karriere und ihr Leben aufs Spiel setzen, um für unsere freie, säkulare und demokratische  Gesellschaft zu kämpfen. Verkehrte Welt! Schließlich werden ja WIR bedroht. Und nicht umgekehrt.

Doch heute schlägt der Spiegel zurück: Reinhard Mohr rückt in „Peinlicher Aufklärungsunterricht“ die Welt wieder gerade:

… die Opfer des westlich-abendländischen Kulturkampfs kommen in dieser Feuilleton-Debatte nur als Schimäre vor, als westlich-negative (Angst-)Projektion, Gestalten ferner Ereignisse dort drunten, wo die Völker scheinbar grundlos aufeinanderschlagen. Islam, Islamismus und Terror sind da nicht mehr als eine feuilletonistische Duftmarke. […]

In dieser geradezu phantastischen Verharmlosung stehen die Dinge endgültig auf dem Kopf, und die Wirklichkeit kommt gar nicht mehr vor. Es scheint, als solle die globale, asymmetrische Bedrohung durch den islamistischen Terror mit einer scheinbaren Symmetrie weggezaubert werden. Motto: Die einen sind so schlimm wie die anderen.

Andersherum gilt die gleiche Äquilibristik: Die historischen Errungenschaften von Humanismus, Aufklärung und Säkularisierung werden ebenso grotesk kleingeredet wie die weltweiten Freiheitsbedrohungen, die von den vielfältigen Strömungen eines radikalisierten Islam ausgehen.

Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, warum man die Werte unseres Grundgesetzes nicht aktiv bewerben darf. Schließlich haben alle UNO-Staaten deren Charta und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterschrieben. Und darin stehen im Wesentlichen genau die Menschenrechtsgrundsätze, wie sie auch unserem Staatsverständnis zugrunde liegen. Es gibt keine Wertneutralität bei den Menschenrechten! Man kann sie nicht wegdrücken, abmildern, abschaffen, verstümmeln oder verbiegen. Nicht aus religiösen Gründen (was ja an sich schon ein Widerspruch sein muss – was für eine Religion lässt schon Menschenrechtsverletzungen zu?), nicht aus politischen Gründen und auch nicht, liebe Genossen, aus sozialen Gründen.

Wenn die Welt irgendwann einmal eine gemeinsame Welt für alle Menschen werden soll, dann kann das nur aufgrund der uneingeschränkten Einhaltung aller Menschenrechte funktionieren. Wenn es überhaupt eine Geschäftsgrundlage zwischen den Religionen dieser Erde geben kann, ist das die Anerkennung der Rechte des Anderen – und des Eingeständnisses der Religiösen, das der Staat nicht gleich Kirche sein kann.

Wer die (gewollte) Verbindung von Religion und Staat im Islam leugnet, verkennt auch die Tatsache, dass auch wir erst vor nicht allzulanger Zeit unsere Klöster säkularisiert haben (1803), um der Kirche die politische Macht zu nehmen. Doch auch wir bedurften erst eines Luther und dann eines Napoleon um das Diktat der Bischöfe und Kardinäle endlich los zu werden.

Die Ruinen der Kirchenherrschaft lassen sich auch heute noch besichtigen: Die Klöster Maulbronn, Hirsau, Bebenhausen und andere im Ländle zeugen von der einstigen kirchlichen Großmacht. Übrigens: Württemberg wäre ohne die Säkularisierung um die Hälfte kleiner geblieben. Und Baden-Württemberg gäbe es als Bundesland heute so sicher nicht. (Wer die große Landesaustellung 2003 in Schussenried zur Säkularisierung besucht hat, wird sich erinnern.) Freiwillig war die Kirchenentmachtung auch bei uns beileibe nicht. Dafür brachte sie eine der ersten Menschenrechtsurkunden überhaupt zustande; die „Zwölf Artikel“ von Memmingen, 1525

Es steckt also mehr dahinter, hinter dem Feuilletonkampf, als nur der Kampf um das vermeintlich „Gute“. Der Säkularisierungsprozess der Macht ist der entscheidende Faktor bei der Beurteilung der politischen Bedeutung von Religionen – und um nichts anderes geht es bei der Ausweitung des Islam nach Europa. Wir diskutieren im Grunde gar nicht mehr über Glaubensfragen, wir diskutieren über politische Macht. Der radikale Islam mißbraucht die individuelle Religionsfreiheit zur kollektiven politischen Machtgewinnung, genau so wie die katholische Kirche einst bei uns die Menschen ohne Rechtsfreiheiten unter ihr Joch drückte. Das ist die zentrale These von Broder und Co., die verstanden werden muss.

Terrorismus ist nie religiös. Er ist immer und zutiefst politisch.

Wie schwer auch wir uns immer noch mit der Trennung von Staat und Religion tun, zeigen auch die Flügelkämpfe der C-Parteien. Zum Glück scheint der Protestantismus in der Union gerade Oberwasser zu haben, was eine pragmatische Politik ermöglichen sollte. Doch auch ein Rückfall in christliche Fundamentalpositionen scheint mir nicht ganz ausgeschlossen zu sein – zumal bei der CSU nicht.

Meine Meinung: Religion gehört ins Gotteshaus (egal welcher Art) und Politik gehört ins Parlament. Wir sollten das nicht unnötig mischen. Soll jeder glauben, was er will. Doch wenn Handeln für alle angesagt ist (und nichts anderes ist Politik), darf der Glaube (und somit die Religion) des Einzelnen keine Rolle mehr spielen.

Den Islam, den wir gegenwärtig in manchen Regionen dieser Welt erleben, will genau das Gegenteil. Und dagegen müssen wir uns wehren dürfen.

Lesen Sie selbst die beiden Artikel:

Thomas Steinfeld: Unsere Hassprediger
http://www.sueddeutsche.de/politik/846/500117/text/

Reinhard Mohr: Peinlicher Aufklärungsunterricht
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,672117,00.html

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