Horst – Präsident von Deutschland

HORST Präsident von Deutschland
Ein Drama in sechs Jahren

PERSONEN
KÖNIG Franz-Josef (der Geist)
HORST, Präsident von Deutschland
ANGELA, HORSTs Kanzlerin
KARL-THEODOR, Verteidigungsminister

Die Szene ist in Berlin.

ERSTER AKT, VIERTE SZENE, Die Terrasse

HORST, ANGELA und KARL-THEODOR treten auf.

HORST
Die Luft geht scharf, es ist entsetzlich kalt.

ANGELA
’s ist eine schneidende und strenge Luft.

HORST
Was ist die Uhr?

ANGELA
Ich denke, nah an zwölf.

KARL-THEODOR
Nicht doch, es hat geschlagen.

ANGELA
Wirklich schon?
Ich hört es nicht; so rückt heran die Stunde,
Worin der Geist gewohnt ist umzugehn.
Was stellt das vor, mein Präsident?

HORST
Der König wacht die Nacht durch, zockt vollauf,
Hält Schmaus und taumelt den niedrigen Euro;
Und wie er Züge Rheinweins niedergießt,
Verkünden schmetternd Aktien und Derivate
Den ausgebrachten Markt.

ANGELA
Ist das Gebrauch?

HORST
Nun freilich wohl.
Doch meines Dünkens, bin ich eingeboren
Und drin erzogen schon, ists ein Gebrauch,
Wovon der Bruch mehr ehrt als die Befolgung.
Dies schwindelköpfge Zocken macht verrufen
und fürwahr, es nimmt
Von unsern Taten, noch so groß verrichtet,
Den Kern und Ausbund unsers Wertes weg.
So geht es oft mit einzeln Menschen auch,
Das Dämm und Schanzen der Vernunft oft einbricht,
Auch wohl durch Angewöhnung, die zu sehr
Den Schein gefällger Sitten überrostet –
Daß diese Menschen, sag ich,
Und wären ihre Tugenden so rein
Wie Gnade sonst, so zahllos wie ein Mensch
Sie tragen mag: in dem gemeinen Tadel
Steckt der besondre Fehl sie doch mit an,
Der Gran von Schlechtem zieht des edlen Wertes
Gehalt herab in seine eigne Schmach.

ANGELA
O seht, mein Präsident, es kommt!
[Der Geist kommt.]

HORST
Engel und Boten Gottes, steht uns bei! –
Laß mich in Blindheit nicht vergehn! Nein, sag,
Warum dein fromm Gebein, verwahrt im Tode,
Die Leinen hat gesprengt, warum die Gruft,
Geöffnet ihre schweren Marmorkiefer,
Dich wieder auszuwerfen? Was bedeutets,
Daß, toter Leichnam, du in vollem Stahl
Aufs neu des Mondes Dämmerschein besuchst,
Die Nacht entstellend, daß wir Narren der Natur
So fürchterlich uns schütteln mit Gedanken,
Die unsern Seelen nicht erreichbar sind?
Sag, was ist dies? Warum? Was solln wir tun?

Der Geist winkt HORST zu sich.

ANGELA
Es winkt Euch zu, mit ihm hinwegzugehn,
Als obs nach einer Mitteilung verlangte
An Euch allein.

KARL-THEODOR
Seht, wie es Euch mit freundlicher Gebärde
Hinweist an einen mehr entlegnen Ort;
Geht aber nicht mit ihm!

ANGELA
Nein, keineswegs!

HORST
Es will nicht sprechen; wohl, so folg ich ihm.

ANGELA
Tuts nicht, mein Präsident!

HORST
Was wäre da zu fürchten?
Mein Leben acht ich keine Nadel wert;
Und meine Seele, kann es der was tun,
Die ein unsterblich Ding ist, wie es selbst?
Es winkt mir wieder fort, ich folg ihm nach.

ANGELA
Wie, wenn es hin zur Presse Euch lockt, mein Präsident,
Und dort in andre Schreckgestalt sich kleidet,
Die der Vernunft die Herrschaft rauben könnte
Und Euch zum Wahnsinn treiben? O bedenkt!
Der Ort an sich bringt Grillen der Verzweiflung
Auch ohne weitern Grund in jedes Hirn,
Der so viel Klafter niederschaut
Und hört sie unten brüllen.

HORST
Immer winkt es. –
Geh nur, ich folge dir.

KARL-THEODOR
Ihr dürft nicht gehn, mein Präsident!

HORST
Die Hände weg!

ANGELA
Hört uns, Ihr dürft nicht gehn!

HORST
Mein Schicksal ruft
Und macht die kleinste Ader dieses Leibes
So fest als Sehnen des Nemeer Löwen.
Der Geist winkt.
Es winkt mir immerfort: laßt los!!
Sich von ihnen losreissend.
Beim Himmel!
[Reißt sich los.]
Den mach ich zum Gespenst, der mich zurückhält!
Ich sage, fort! – Voran, ich folge dir.

Der Geist und HORST ab.

ANGELA
Er kommt ganz außer sich vor Einbildung.

KARL-THEODOR
Ihm nach! Wir dürfen ihm nicht so gehorchen.

ANGELA
Kommt, folgen wir! Welch Ende wird dies nehmen?

KARL-THEODOR
Etwas ist faul im Staate Deutschlands.

ANGELA
Der Himmel wird es lenken.

KARL-THEODOR
Laßt uns gehn!
Beide ab.

(frei nach William Shakespeares Hamlet)

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