Für einen sozialen Liberalismus!

Ich möchte an dieser Stelle mal an einen etwas verloren gegangenen Begriff anknüpfen. Die vor 1982 in der FDP noch vorherrschende Strömung nannte sich sozial-liberal, oder auch „links“liberal. Nach dem Kanzlersturz wandte sich die Partei immer mehr den marktliberalen oder auch „rechts“liberalen Strömungen zu. Das war auch gut so – denn in den Wachstumsjahren der 80er und 90er Jahre brauchte man diese zur technologischen Weiterentwicklung der Gesellschaft.

Die Entwicklung zur Informationsgesellschaft hatte ihren Preis, den wir jetzt, zehn Jahre danach, auch bezahlen müssen. Die jetzige Wirtschaftskrise ist keineswegs nur Folge von Marktliberalisierung, Gier oder Kontrollverlust. Eher schon sind das genau die Symptome eines politischen Ungleichgewichts in Richtung der konservativen und marktradikalen Strömungen in den USA und in Teilen Europas.

Also ist die Wirtschaftskrise eine logische Folge des Wachstums – in dem der Samen für den nächsten Entwicklungsschub schon angelegt ist. So führten die in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts gemachten Entdeckungen der Physik erst rund siebzig Jahre später zur Informatik-Revolution mit ihren Lasern und Computerchips.

Genau so haben wir das künftige Wachstum mit der Entwicklung der Bio- und Gentechnik längst erfunden.

Jede Wachstumsphase vernachlässigt jedoch systematisch die soziale Komponente der Gesellschaftspolitik. Soziale Sicherungssysteme werden immer nur als Folge der Krise errichtet – so wie die Einführung der Sozialversicherung die Antwort auf den Manchesterkapitalismus und die Einführung von Sozialhilfe die Antwort auf die Wirtschaftskrise der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts war.

In Krisenzeiten besinnt sich die Gesellschaft, gezwungenermaßen,  auf die sozialen Systeme, weil sie ohne diese droht, auseinander zu fallen. Genau diese Tendenzen erleben wir auch jetzt – auseinanderklaffende Gehaltsschere und extrem ungleich verteilte Vermögen schaffen gesellschaftliches Unwohlsein. Übrigens in allen Schichten!

Auf diese Herausforderung bietet der postmoderne Liberalismus bisher nur wenig Antworten. Ich möchte hier an ein paar exemplarischen Punkten aufzeigen, wie ein moderner, sozialer Liberalismus aussehen könnte.

Ein moderner sozialer Liberalismus steht:

  • Für eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung für alle. Dabei dürfen einkommensstarke Gruppen der Gesellschaft nicht von der Solidargemeinschaft ausgeschlossen werden.
  • Für geregelte Mindestlöhne, um Lohndumping zu verhindern.
  • Ein gesetzlich garantiertes Mindesteinkommen, vor allem für Kinder.
  • Eine Verlagerung der Besteuerung vom Produktionsfaktor Arbeit auf das Kapital.
  • Für Kapitaltransaktionssteuern
  • Für eine Verhinderung von übergroßer Kapitalakkumulation zugunsten echten Wettbewerbs.
  • Für den Einsatz von privatem Riskokapital zur Existenzgründung.
  • Für die substantielle Förderung von Pflege-, und Lehrtätigkeiten.
  • Für kostenlose, lebenslange Bildungschancen. Bildung verursacht Investitionen und keine Kosten.
  • Für eine Verwaltung für den Bürger, nicht von dem Bürger.
  • Gegen die staatliche Subventionierung von Kapitalgesellschaften und für Unternehmertum.
  • Gegen eine Neidkultur – für modernes Heldentum und Anerkennung von Leistung in der Gesellschaft.

Diese Punkte stellen natürlich nur eine kleine, willkürlich gewählte Sammlung dar – aber sie sind in der gegenwärtigen FDP zwar nicht mehrheits-, dafür aber umso mehr diskussionsfähig.

Gesellschaftlich führt ein moderner sozialer Liberalismus zu mehr gesellschaftlichem Konsens – mit der klaren Fokussierung auf die Sicherstellung der sozialen Stellung der gesellschaftlich für alle Liberalen äußerst bedeutsamen Mittelschicht. Allerdings erfordert er auch ein politisches Handeln „over the isle“, wie Barack Obama es formuliert, also über ideologische Grenzen hinweg.

Das Wohl des „einfachen Menschen“ muss Ziel jedes politischen Handelns sein – denn jeder Einzelne ist in seiner Würde gleich. Gleich gut, und gleich viel wert. Das, liebe Leser, verlangt von uns die liberale Tradition seit der französischen Revolution, über die englischen Liberalen des 18. Jahrhunderts und die Väter der amerikanischen Verfassung – bis hin zu den Vätern und Müttern unseres Grundgesetzes.

Wir müssen als Liberale neue Antworten auf eine neue Zeit finden – Eine neue Freiheit wagen.

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