Ein bisschen wie auf der Titanic

Genau so habe ich mir den Untergang der Titanic immer vorgestellt: Die Damen in ihren Abendkleidern, die Herren im Smoking. Man isst, plaudert und das Orchester spielt. Derweil fließt unaufhaltsam eiskaltes Wasser in den Rumpf des leckgeschlagenen Ozeanriesen und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der zu spröde Stahl bricht…
Na ja, noch spielt das Orchester und die Schieflage des Dampfers ist kaum spürbar. Aber sie ist da. Während die Liberale Schickeria samt polit-kommerziellem Anhang munter ihren Dreikönigsball feiert, brennen draußen im Ghetto die Mülltonnen – regiert auf der Straße der Mob, mal von rechts, dann wieder von links. Er wird immer radikaler und immer gewalttätiger. Das macht mir Sorgen.
Und während die Herren sich von ihren Fahrern in den schicken S-Klassen durch die Nacht chauffieren lassen, denkt manch schlaflose alleinerziehende Mutter an das Essen für ihre Kinder.
Aber das Orchester spielt weiter – es wird gar Cha-Cha-Cha getanzt. Oder, ganz modern, zu Hits aus den Achtzigern. Da war die Welt noch in Ordnung. Und die Falten noch nicht da.
Hoppla, was war das? Wankte da nicht der Boden unter den Tanzenden ein wenig? War das eine oder andere Lachen an diesem Abend nicht doch zu aufgesetzt? Spürten wir nicht alle das langsame aber stetige Sinken des Staates, in dem wir alle zu so viel Wohlstand gekommen waren?
Verstehen sie mich bitte nicht falsch – ich bin der letzte, der einer sozialistischen Utopie nachweint. Und ich bin absolut der Meinung, dass Leistung sich lohnen muss – und das Klasse und Stil Kulturleistungen sind, die nur mit erheblichem intellektuellem und finanziellem Aufwand zu erbringen sind. Und ja, ich tanze gern in dieser Gesellschaft. Aber dennoch fürchte ich manchmal, dass allzu weiche Seidenteppiche doch den dumpfen Aufprall des sozialen Eisbergs gegen den Rumpf unserer Gesellschaft allzu gut dämpfen. So bleibt er in manchen Kreisen gänzlich ungehört.
Was also tun? Pumpen, heißt die Antwort! Frack ausziehen, Ärmel hoch, ab in die Kajüten und pumpen, was das Zeug hält! Dann die Löcher stopfen, damit nicht noch mehr Wasser in das sinkende Gefährt eindringt!
Und was tut unsere Regierung? Sie stellt neue Musiker ein.
Sie verstehen, was ich meine? Wenn man das Sinken des Schiffes schon nicht verhindern kann, dann sollen wir eben bestens unterhalten sinken. We love to entertain you, eben.
Da, haben Sie das gerade eben gehört? Es knirscht schon im Gebälk! Es soll sogar einer über Bord gegangen sein! Ein Reicher! Ja, ja. So fängt es an. Irgendwann sind sie so in Panik, dass sie ganz von alleine springen. Da hilft dann auch kein Rettungs-Schirm. Der Fall ist einfach zu tief und das Wasser zu kalt in diesen Zeiten.
Wie, meinen Sie? Die Armen? Nein, die können doch gar nicht springen. Die sind ja Unterdecks eingeschlossen. Von unserer Musik hören die allenfalls das dumpfe Dröhnen der Basstrommel. Und manchmal einen weiblichen Jubelschrei.
Womit wir beim Takt wären – auch eine sehr schöne Erfindung. Wie sich alles regt und bewegt, im Takt der Maschinen. Spüren Sie nicht auch das beruhigende Stampfen des großen Motors? Der sich immerwährend drehenden Kolben und Wellen? In diesem Schiff läuft doch alles wie geschmiert! Doch halt! War da nicht ein Aussetzer? Gar eine Unwucht? Ein Defekt in unserem System? Wissen Sie, das kann gar nicht sein. Nein, wirklich. Dieses Schiff ist unsinkbar, das wissen Sie doch.
Ich verlasse den Saal, ich brauche Luft. Und bei Gelegenheit schaue ich, nur so sicherheitshalber, mal nach den Rettungsbooten. Man weiß ja nie.
Es ist schon ein bisschen so wie auf der Titanic, auf einem Dreikönigsball.

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