Knorrig steht,
vom Winde geschunden
einsam ein Baum
sein Stamm stark gewunden.
Beugt sich,
am Gipfel, am eisigen Berg
des quälenden Windes
grausames Werk
Oft schon hat der Sturm
ihm Äste gebrochen
mit wütender Kraft
ihm Wunden gestochen
Oft schon klagte
knarrend der Baum
als wäre vorüber
sein Lebenstraum
In der Ruhe des Sommers
in blühender Pracht
wird nur an die Schönheit
des Baumes gedacht
der erlangt seine harte,
fast edle Form
in den Kämpfen des Winters
die toben enorm
Geerntet mit Freuden
wird die herbstliche Frucht
die klein aber würzig
bringt Gottes Wucht
Sein wahres Sein
offenbart er in den Tagen
in denen die Wolken
am Himmel sich jagen,
in denen durch
das Brechen der Äste
verwirklicht sich erst
wahre Form, rechte
Denn schneidet der Mensch
die anderen Bäume,
stellt sie in Gärten
baut schützende Zäune
Und tragen dann diese
gepflegten Gestalten
die größeren Früchte
von Stangen gehalten
Doch fehlt diesen Früchten
der rechte Geschmack
und von geschwächt von der Züchtung
hängen die Äste herab
Gewiss, sie haben
des Bauern lieblichen Blick
der sie düngt und sie pflegt
mit gutem Geschick
Und doch sind sie nur
geplante Wesen
nichts kann man
aus ihren Narben erlesen
Brav gezähmt
stehn sie in Reihen
und müssen auf Willen
andrer Gedeihen
Einsam hingegen
steht auf dem Berge ganz oben
der König der Bäume
sein Stamm wirr verbogen
Und zeigt der wahren
Schönheit Gesicht
erzeugt nur
von Gottes Gericht
Geformt durch seine
unzähligen Wunden
die kein Bauer
ihm jemals verbunden
Dort streut er
seine würzigen Früchte
hoch auf dem Gipfel
in stürmische Lüfte
die weit hinaus
tragen den Samen
in Welten, in die
die anderen nie kamen
So geht hervor
aus dem knorrigen Stamm
der felsenfest steht
auf seinem steinigen Kamm
die Botschaft hinaus
in alle Welt,
das Erbe, das jeden Sturm
stande hält:
Man ehre die Krüppel
man ehre die Narben
man ehre die, die nicht
in Wohlwollen darben
denn sie sind
die wahre Kraft
die aus uns
Menschen schafft
Und Sie zeigen mit all
ihren Leiden
dass es sich lohnt
Mensch zu bleiben.
(30.4.2001)