Das Web2.0 – ein Märchen?

Was in den USA den Wahlkampf revolutionierte, kommt in Deutschland schleppend voran: Studien von ARD und ZDF zeigen ernüchternde Zahlen rund um Twitter, Facebook und Co. Dennoch: Wie einst im WWW, werden jetzt die Claims im digitalen Netzwerk-Goldrausch abgesteckt. Auch wenn die Mehrheit (noch) nicht im Netz mitmacht – in einigen Jahren wird sie es tun. Die USA macht es uns, wie so oft, vor: Dort hat das Internet im Zeitbudget der jugendlichen Rezipienten das Fernsehen bereits überholt. Doch zurück zu uns, so schreibt ein Aktivisten-Blog zur Netzpolitik bei der Bundestagswahl2009:

Wer sich über die geschätzte Zahl der deutschen Twitter-Nutzer informiert hat (wohl zwischen 60.000 bis ca. 85.000 Nutzer in D, zwischenzeitlicher Zuwachs nicht berücksichtigt), ahnte bereits wo das Problem liegen könnte. Die dankenswerter Weise bei netzpolitik.org verlinkten Online-Studien von ARD/ZDF befördern hier Erhellendes zu Tage.

Zunächst einmal: der Anteil der kompletten Offliner 2009 liegt bei immerhin noch 32,9%, also 21,34 Millionen Erwachsene (ab 14 Jahre).

[…] wer sich die Nutzung von Web 2.0 Angeboten anschaut stellt vielleicht Überraschendes fest. Laut der Online Studie von ARD/ZDF nutzen Onliner nie, das heisst auch nicht gelegentlich, folgende Dienste:

private Netzwerke / Communities zu 71%
Fotosammlungen / Communities zu 75 %
Weblogs zu 92 %
berufliche Netzwerke / Communities zu 94 %
Lesezeichensammlungen zu 96 %

Wohlgemerkt: die Prozentangaben beziehen sich auf die Nichtnutzung!

Im Klartext bedeuten diese Zahlen zum Beispiel, dass alle Mechanismen der Mobilisierung in der Kampagne gegen #zensursula ungefähr 9 von 10 Internetnutzern überhaupt nicht erreicht haben, weil diese nicht twittern, keine Blogs lesen und auch in einer privaten Community sich womöglich nicht mit politischen Themen beschäftigen wollen.

Die vielleicht etwas erschütternde Wahrheit ist also: 82% der Internet-Nutzer lesen ihre E-Mails und schauen sich Webseiten an (keine Blogs). That’s it. Die Blase in der wir leben ist nicht das Internet, sondern der Web 2.0 Teil davon (was immer „Web 2.0“ konkret bedeuten mag). Und dieser Teil der Internet-Nutzung macht weniger als 10% aus (gerechnet auf die Internet-Nutzer in Deutschland).

[…] Was bedeutet das nun aber für einen netzpolitischen Wahlkampf oder Kampagnen von Netzaktivisten? Die gute Nachricht ist hier die gleiche: wohl ca. 90% der Internet-Nutzer dürften hier noch gar nichts mitbekommen haben. Die schlechte Nachricht folgt auf dem Fuße. Diese Internetnutzer sind wahrscheinlich nur über ganz ordinäre Web 1.0 Techniken erreichbar. Also Mailings, Newsletter, SEO kompatible Webseiten und Suchmaschinenmarketing.

http://btw09.twoday.net/stories/real-life-im-netz/

Während die einen das Netz noch gar nicht nutzen, immerhin 20 Millionen Menschen hierzulande, verharrt die Mehrheit bei email und www, welche immer noch „neu“ sind. Twitter, Facebook und co. sind der „digitalen Elite“ vorbehalten, einer relativ kleinen Gruppe junger, gut ausgebildeter Menschen.

Das sollten sowohl die Parteien in ihrem Wahlkampf,  wie auch die Journalisten in  ihrer Berichterstattung berücksichtigen (followers oder friends zählen ist z.Zt. kompletter Blödsinn). Evolution statt Revolution von Web-Angeboten ist der richtige Weg (in Deutschland). Manchmal tut es weh, wenn man sieht, wie schwerfällig und träge das Land geworden ist. Dabei könnte man mit der Technik so vieles möglich machen…

Aber sie werden kommen, die Videochats im social network, die online-Büroanwendungen und interaktiven sharing points. Aber halt (wie in Mecklenburg*) etwas später.

* Der alte Witz geht so: „Wenn die Welt untergeht, komm nach Mecklenburg. Hier passiert alles 15 Jahre später“. Von einem Kommilitonen aus Mecklenburg.

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