1.1.2 Aristoteles

Aristoteles (wikipedia.de)Aristoteles – Politik ist die Seele des Staates

Aristoteles lebte um 350 v. Chr. in Athen. Er gehörte zwanzig Jahre lang der Akademie Platons an, verließ 347 v. Chr. Athen, bevor er dann zum Lehrer des damals 13jährigen Alexander des Großen wurde. Er verfasste mindestens 500 Schriften, von denen nur wenige im Original enthalten sind, darunter Vorlesungsmanuskripte.

Aristoteles ist also Lehrer und Gelehrter zugleich, das verschafft seinen Schriften einen anderen Stil als den Philosophen vor ihm. Er ist der erste Analytiker, der uns begegnet. Er unterteilt in seinen Studien die Natur in Form und Inhalt, er stellt Kategorien auf, er systematisiert Begriffe, er erfindet die philosophischen Kategorien Stoff und Form, die ihrerseits Möglichkeit und Wirklichkeit repräsentieren. Der Stoff ist also die Möglichkeit der Form – oder: Der Marmorblock ist die Möglichkeit der Statue des Davids (von Michelangelo). Für uns hieße das: Das Denken ist der Stoff, also die Möglichkeit, des Staates und die Verfassung ist seine Form.

In diesem Konzept ist Entwicklung die Mehrung von Form im Stoff, die Bearbeitung des Marmorblockes hin zur Statue also. Wir spüren einen Entwicklungsbegriff im System des Aristoteles – Entwicklung hat bei ihm eine Richtung – zum Guten. Das sollten wir in unseren Korb legen. Im Gegensatz zu Platon, bei dem alles Gute absolut und statisch war, eröffnet sich bei Aristoteles endlich der Weg der Entwicklung zum Besseren.

Dass die Entwicklung leider nicht nur zum Besseren verläuft, zeigt uns die Geschichte – das stellten später die Denker der Neuzeit auch fest.

Das Absolute ist bei Aristoteles: Gott. Der „unbewegliche Beweger“, der Fixpunkt im Universum, das Ganze in Einem. Dieses Denken hat der Kirche über die Jahrhunderte besonders gefallen. Daher ist Aristoteles auch zum Begründer des Dogmatismus der christlichen Kirchen gemacht worden.

Aristoteles führt die uns geläufige Trennung des Menschen in Körper, Geist und Seele ein. War vorher das Geistliche immer nur eine Kategorie, so haben Religion und Vernunft nun getrennte Bereiche im menschlichen Sein. Das ist für die Moderne von allergrößter Bedeutung, wie wir noch sehen werden. Bei Aristoteles ist also die Seele die Form des Körpers. Seele begründet Wesen – sie ist das Organisierende der Form. So macht die Seele das Auge sehend, denn das Auge an sich sieht nichts, das Sehen funktioniert nur in Verbindung mit dem restlichen Körper.

Seele ist bei Aristoteles also dasjenige, was die Summe der Einzelteile zu einem funktionalen Ganzen verbindet. In diesem Satz liegt eine grundlegende Erkenntnis versteckt: Das Ganze ist ist tatsächlich mehr als die Summe seiner Teile.

Der Geist hingegen ist das Prinzip, nach dem die Seele funktioniert: Im Geiste haben also Mathematik, Logik und Syntax ihren Platz.

Wenn wir nun das Aristotelische System auf den Staat übertragen, dann könnten wir zur folgenden funktionalen Teilung kommen: Das Gesetz ist der Geist des Staates, das Volk der Körper (=der Stoff) und die Politik die Seele (=die Form)

Also finden wir nach Aristoteles den folgenden Satz: Die Politik ist die Seele des Staates. Ein schöner Satz, finden Sie nicht?

 

Aristoteles gibt uns noch einen weiteren Punkt mit: Für den Individualismus entscheidend ist die Überlegung, was denn das Gemeinsame und das Trennende sei – Der Geist ist uns allen gemein – eine mathematische Formel ist für jeden gleich, was uns unterscheidet ist seelisch und laut Aristoteles, irrational. Der eine mag halt Suppe und der andere Salat. Dafür gibt es keine universelle Begründung.

Warum ist das für uns eine wichtige Erkenntnis? Nun, wollen wir einen Staat konstruieren, müssen wir auf allgemeingültige Sätze zählen können. Also muss das Konstruktionsprinzip des Staates die Vernunft sein – oder aber in den aristotelischen Kategorien, der Geist.

Uns verbindet mit Aristoteles der Gedanke an die Gültigkeit von Abstraktionen – letztendlich sind die mathematischen Gesetze auch solche.

Der früher oft vorgebrachte Gedanke, das der Geist bei Aristoteles das Göttliche sei, und somit ein Gottesstaat rational begründbar wäre (siehe weiter vorne Thomas von Aquin) ist falsch. Der aristotelische Gottesbegriff hat wenig mit unserem gemein, für ihn war das Göttliche eher eine geistige Kategorie, während für uns Gott eine personifizierte Moralinstanz bedeutet.

Aristoteles erforscht also „das Gute für den Menschen“, wobei auch er das Gemeinwohl höher setzt. Der Mensch ist laut Aristoteles ein politisches Wesen (zoon politikon), welches im Unterschied zu den Tieren auch zielgerichtet Handeln kann. Er handelt also teleologisch.

Ziel dieser Handlung ist „eudaimonia“, das Glück. Interessanterweise finden wir dieses Ziel der Glückseligkeit in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wieder. Dort heißt es:

„We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“ („Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind.)

Aristoteles, ganz in seiner Art, teilt auch die Glückssuche in drei Teile auf: 1. die Genusssucht (Hedonismus), 2. das Politische (bios politikos), 3. das kontemplative Leben (bios theoretikos). Welches Glück soll der Mensch nun suchen? In seiner Ethik entwickelt Aristoteles die These, das Glück nur um des Glückes willen angestrebt werden soll – der Hedonismus als Triebbefriedigung scheidet somit aus. Also bleiben zwei Alternativen: das gerechte und gute Handeln in der Gemeinschaft und die kontemplative Erkenntnisschau nach innen. Das nennt Aristoteles das „theoretische Leben“, wozu nur wenige in der Lage seien. Daher bleibe für die meisten Menschen zum Glück nur das politische Leben möglich.

Hier wird also eine ethische Handlungstheorie begründet. Auch diese wird uns noch weiter beschäftigen. [1]

Aristoteles löst den oben angesprochenen Konflikt zwischen der Individual- und der Gemeinschaftsebene, in dem er Gemeinschaft über die Freundschaft konstruiert. Der Mensch handelt zum Guten hin – also behandelt er seine Freunde altruistisch, ohne Eigennutz. Tun dies alle, dann entsteht die ideale Gemeinschaft. Tun alle dies im politischen Leben, dann entsteht der ideale Staat. So überträgt Aristoteles das Prinzip der teleologischen ontologischen Seelenlehre, nach der die göttliche Seele zum guten Handeln bewegt auf den Staat.

Allerdings sah auch Aristoteles, das diese Modell nur unter optimalen Bedingungen funktionieren konnte – in der Politik untersucht er die Bedingungen, unter denen sein Modell verwirklichbar wäre. Er vergleicht die existierenden Verfassungen seiner Zeit und kommt zu folgendem Ergebnis:

  • Die Einteilung der Staatsformen (Monarchie, Aristokratie, Demokratie) übernimmt er von Platon.
  • Die beste Polis ist die, in der das beste Leben verwirklicht wird.
  • Die beste Polis ist nicht gleichberechtigt, sie ist eine Klassengesellschaft
  • Im Unterschied zu Platon findet Aristoteles nur die negativen Verfassungen Demokratie (Herrschaft der Armen), Oligarchie (Herrschaft der Reichen) und Tyrannis (Herrschaft der Willkür)
  • Als Ergebnis der Analyse der real existierenden Verfassungen konstruiert er die „Politie“ als Mischung aus Demokratie und Oligarchie.
  • Dabei gelten folgende Prinzipien: Institutionen werde gemischt besetzt – die Armen werden bezahlt, wenn sie staatliche Ämter übernehmen, es herrscht das Gesetz und es gibt einen sozialen Ausgleich in der Gesellschaft zur Bildung einer Mittelschicht.

Wir halten aus dem aristotelischem Denken folgendes fest: Die Bildung eines Staates erfordert menschliches Handeln. Es gibt dabei das Ziel der Glücksfindung. Dieses Ziel kann durch das politische oder theoretische Leben erreicht werden. Das politische Leben setzt eine Gemeinschaft voraus – ergo kann der Mensch nur in einer funktionierenden Gesellschaft glücklich werden. [2]

(HIER GEHTS BALD WEITER)

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