Obamas Appell für die Mittelschicht

Wie sehr sich doch manchmal die Reden ähneln: Was in Deutschland als „neoliberal“ verspottet wird, ist in den USA geradezu provozierend links. US-Präsident Barack Obama hat auf einem Gewerkschafts-Kongress eine bemerkenswerte Rede gehalten, in der er stark für den Erhalt und die Stärkung der Mittelschicht in der amerikanischen Gesellschaft plädiert – mit ganz ähnlichen Sätzen wie es derzeit Guido Westerwelle für die FDP tut.

Ein Ausschnitt:

[youtube DAHgZ9v-oRw]

Hier einige Passagen aus dem Text und eine Übersetzung:

Now, being here with all of you is a reminder of what we’re trying to do in Washington and why I’m there in the first place — because one of the fundamental reasons I ran for President was to stand up for hardworking families; to ease the struggles, to lift the hopes, and make possible the dreams of middle-class Americans.

…For over half a century, the success of America has been built on the success of our middle class. It was the creation of the middle class that lifted this nation up in the wake of a Great Depression. It was the expansion of the middle class that opened the doors of opportunity to millions more. It was a strong middle class that powered American industries and propelled America’s economy and made the 20th century the American century.

And the fundamental test of this century, of our time, is whether we will heed this lesson; whether we will let America become a nation of the very rich and the very poor, of the haves and the have-nots; or whether we will remain true to the promise of this country and build a future where the success of all of us is built on the success of each of us. (Applause.)

…So I know times are still tough for working people. I know too many people are still looking for work or worried they’ll be the next ones let go. But the Recovery Act is making a difference. We’ve stopped our economic freefall. That’s something everybody can agree on.

But here’s the problem. Even before this last financial crisis, the economy had problems. Just last week, a Census report came out showing that in 2008, before the downturn, family income fell to its lowest point in over a decade, and more families slid into poverty. Folks at the top 1 percent did pretty good. Everybody else saw their wages and income flat. That’s unacceptable.

And I refuse to let America go back to the culture of irresponsibility and greed that made it possible — (applause) — back to an economy with soaring CEO salaries and shrinking middle class incomes; back to the days when banks made reckless decisions that hurt Wall Street and Main Street alike. (Applause.)

We’re not going to go back to those days. It would be bad for unions, bad for the middle class, and bad for the United States of America.  We’re not turning back.  We’re moving forward. (Applause.)
We’re not turning back. We’re moving forward.  And that’s why we need to build a new foundation for lasting prosperity by creating the jobs of the future; by reforming our health care system; by laying down tough rules of the road to protect consumers from abuse, let the markets function fairly and freely, and ensure that we never experience another crisis like this again.

That’s how we’ll build an economy that works for working Americans.That’s how we’ll help our children climb higher than we did. That’s how we’ll grow our great American middle class.

Und dazu die Google-Übersetzung (von mir bearbeitet, ohne jede Gewähr)

Nun, da ich hier bei Ihnen bin, eine Erinnerung an das, was wir versuchen, in Washington zu tun, und warum ich überhaupt dort bin: Einer der fundamentalen Gründe, warum ich für das Präsidentenamt kandidierte, war, sich für fleißige Familien einzusetzen, um deren Kämpfe zu erleichtern, die Hoffnungen zu heben, und die Träume der Mittelklasse-Amerikaner zu ermöglichen.

… Seit über einem halben Jahrhundert wurde der Erfolg von Amerika über den Erfolg unserer Mittelschicht gebaut. Es war die Schaffung des Mittelstandes, welche diese Nation aus der  Großen Depression befreite. Es war der Ausbau der mittleren Klasse, die Türen und Chancen eröffnete, für Millionen mehr Menschen. Es war ein starker Mittelstand, der die US-amerikanische Industrie und die amerikanische Wirtschaft förderte und aus dem 20. Jahrhundert das amerikanische Jahrhundert machte.

Und die grundlegende Aufgabe dieses Jahrhunderts, unserer Zeit, ist, ob wir diese Lehre beherzigen, ob wir Amerika zu einer Nation von den ganz Reichen und den ganz Armen, von den Besitzenden und den Besitzlosen werden lassen, oder ob wir dem Versprechen dieses Landes treu bleiben und eine Zukunft aufbauen, wobei der Erfolg von uns allen auf den Erfolg eines jeden einzelnen von uns gebaut ist. (Applaus)

… ich weiß, es ist noch schwer für die arbeitenden Menschen. Ich kenne zu viele, die noch immer auf der Suche nach Arbeit sind oder die sich sorgen, dass sie die nächsten sein werden, die gehen müssen. Aber das Konjunktur-Programm macht einen Unterschied. Wir haben unseren wirtschaftlichen freien Fall gestoppt. Das ist etwas, auf das wir uns alle einigen können.

Aber hier ist das Problem. Schon vor dieser letzten Finanzkrise hatte die Wirtschaft Probleme. Erst letzte Woche kam ein Bericht der Volkszählung, aus dem hervorgeht, dass im Jahre 2008, vor dem Abschwung, die Familieneinkommen auf den niedrigsten Stand in mehr als einem Jahrzehnt fiel und mehr Familien in Armut rutschten. Den Leuten an der Spitze, einem Prozent, ging es ziemlich gut. Alle anderen sahen ihre Löhne und Einkommen stagnieren. Das ist nicht akzeptabel.

Und ich weigere mich, Amerika zurück in die Kultur der Verantwortungslosigkeit und Gier zu entlassen, die dies erst möglich gemacht hat – (Beifall) – zurück zu einer Wirtschaft mit hohen Manager-Gehältern und schrumpfenden Mittelschicht-Einkommen, zurück zu den Tagen, als die Banken und deren rücksichtslose Entscheidungen, die Wall Street (Finanzindustrie) und Main Street (den einfachen Bürger) gleichermaßen verletzten. (Applaus)

Wir werden nicht zurück in diese Zeiten gehen. Es wäre für die Gewerkschaften schlecht, schlecht für die Mittelschicht und schlecht für die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir kehren nicht um. Wir gehen voran. (Applaus)

Und deshalb müssen wir ein neues Fundament für dauerhaften Wohlstand durch die Schaffung der Arbeitsplätze der Zukunft gestalten können; durch eine Reform unseres Gesundheitssystems, durch die Festlegung strenger Spielregeln, die den Verbraucher vor Missbrauch schützen, dadurch, dass die Märkte fair und frei funktionieren, und sicherstellen, dass wir eine Krise wie diese nie wieder erleben.

Das ist, wie wir eine Wirtschaft aufbauen, die für die arbeitenden Amerikaner funktioniert. Das ist, wie wir unsere Kinder höher klettern lassen, als wir selbst es konnten. Das ist, wie wir unsere großartige amerikanische Mittelschicht wachsen lassen werden.

Wow. Das ist, was unserem Wahlkampf fehlt: Echte Anteilnahme, echte Emotion, Mitgefühl, Leidenschaft. Die politische Botschaft Obamas ist die der FDP: Nur mit einer starken Mittelschicht werden Nationen groß. Warum nur ist das in Deutschland so schwer zu vermitteln? Was an dieser Botschaft ist falsch? Warum kämpft bei uns eine übergroße, paradoxerweise teilstaatliche, Medienmacht für die Ränder? Wollen wir als Volk womöglich gar keine gute Zukunft in einer starken Nation? Haben die Menschen bei uns schon kapituliert? Wollen diejenigen aus der Unterschicht womöglich gar nicht mehr zurück in die Mitte? Ich verstehe nicht, wie man in Deutschland nach 40 Jahren DDR links wählen kann. Wir, wenn überhaupt ein Volk, sollten es doch besser wissen! Schließlich haben viele von uns die Diktaturen gleich mehrfach erfahren. *kopfschüttel*

Nicht am Rand einer Gesellschaft, weder ganz oben, noch ganz unten, wird über das Schicksal von Ländern entschieden. Die Mitte zählt. Das ist die wahre Idee des liberalen Bürgertums. Danke, Barack Obama, für diese Erinnerung. Wir tun unser bestes.

Die ganze Rede (29 Minuten) hier: http://video.nytimes.com/video/playlist/business/cnbc/1194811622261/index.html#1247464600891

Die ganze, wirklich lesenswerte Rede in Textform hier:

http://latimesblogs.latimes.com/washington/2009/09/barack-obama-afl-cio-speech-text.html

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