Kant und Geißler

Mediator Heiner Geißler (80, CDU) hat heute in seinem Schlichterspruch zu Stuttgart 21 Immanuel Kants „Was ist Aufklärung“ zitiert, indem er die Menschen aus der „unverschuldeten Unmündigkeit“ befreien will. Darin liegt ein kleiner, aber durchaus bedeutsamer Fehler.

Kant sagt:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude!“

Herr Geißler hat „unverschuldet“ und „selbst verschuldet“ verwechselt. Es ist schon ein Unterschied, ob man den Menschen Unwissenheit mangels Informationsmöglichkeiten (Geißler) oder den Nicht-Gebrauch ihrer Vernunft mangels Mut zum Denken unterstellt (Kant). Im Falle Stuttgart21 trifft leider das leider eher das Letzere zu.

Der evolutorische Imperativ

„Handle stets so, dass Du die moralischen Ideale Deiner Gesellschaft am besten erfüllst.“

Erklärung: Kants kategorischer Imperativ sagt nichts über die Werterelativität einer Gesellschaft aus. Die, auch bei uns leider immer noch weit verbreitete, Ansicht, Werte seien absolut, unveränderbar und ewig ist zwar eingängig – aber leider nicht richtig. Aus Kants sicht handelt ein gewaltbereiter Islamist moralisch einwandfrei, weil sein Handeln ja aus seiner subjektiven Sicht durchaus allgemeines Gesetz werden soll.

Wir brauchen zwei Dinge: Erstens die Erkenntnis, dass Moral immer relativ ist – und eine Werteordnung, die über der jeweiligen Kultur steht. Dazu sind die Menschenrechte gut geeignet, Demokratie, Säkularismus. Dann brauchen wir noch eine Institution, die das Wertegerüst auch durchsetzen kann – z.B. eine reformierte UNO.